Ein ganz schlimmer Tag

Irgendwann müssen wir alle sterben, dass weiß jeder. Aber die Tage, an denen Legenden sterben, sind schlimme Tage. Ich war 10 Jahre alt und ich war überzeugter HSVer, aber ich war mein ganzes Leben lang Gerd Müller-Fan. Einen wie ihn gab es vorher nicht, gab es neben ihm nicht und wird es auch nie wieder geben. Das liegt zum Teil am Spiel selbst, welches einen ausschließlichen Strafraumstürmer wie Müller nicht mehr zulässt, es liegt aber im Wesentlichen an GM selbst. Es gab die Situation innerhalb des Strafraums einfach nicht, aus der er die Murmel nicht doch irgendwie über die Linie brachte. Im Fallen,  im Liegen, mit dem Kopf,  mit Links oder Recht oder zur Not auch mal mit dem Hintern. Er war damals nicht zu verteidigen und er wäre auch heute noch nicht zu verteidigen gewesen, davon bin ich zu 100% überzeugt. Müller war eine Marke, wie ansonsten wohl nur noch Franz Beckenbauer seine eigene Marke wurde. Aber im Gegensatz zum Kaiser wollte Müller keine Marke sein, er wollte nur kicken, treffen und dann seine Ruhe haben. 

Ich weiß noch, wie ich als 10-Jähriger vor dem Farbfernseher von Telefunken saß, natürlich ohne HD, UHD oder all dem Schnickschnack. Das Bild war fies, die Farben grell und Rainer Bohnhof flankte dahin, wo niemand hinflanken sollte, in den Rücken des einzigen deutschen Spielers, der überhaupt im gegnerischen Strafraum anwesend war. Umringt von Holländern drehte sich Kleines dickes Müller auf eine Art, wie es eben nur Müller konnte und schob den Ball an einem Torhüter mit lächerlichen Knieschützern vorbei ins Netz. 2:1. Bereits damals wusste man, dass dieses Ergebnis nicht eben dem Spielverlauf entsprach, aber das kratzt im Fußball 10 Minuten nach Abpfiff niemanden mehr. Müller wurde an diesem Tag zum Weltstar, der er nie sein wollte, zur Legende und als Legende ist er gestern gestorben. 

Mit 75 Jahren zu sterben ist eine Sache, die man sich heute kaum noch vorstellen kann, aber Gerd Müller ist nun nicht mehr da. Seit 2013 nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetaucht und doch wird dieser Namen immer strahlen und eine Bedeutung haben,  so lange auf diesem Planeten Fußball gespielt wird. Dies können wirklich nur ganz wenige von sich behaupten, Müller kann es. Danke für 365 Tore in 427 Bundesligaspielen, danke für 68 Tore in 62 Länderspielen. Siebenmal Torschützenkönig der Bundesliga. Europameister, Weltmeister, Gewinner des Europapokals der Landesmeister (dreimal) und der Pokalsieger (einmal), so wie Weltpokalsieger. Ein Hamburger verneigt sich vor dem wohl besten Mittelstürmer aller Zeiten aus Bayern, ein Hamburger und Fan ist sehr sehr traurig.

Mach’s gut, Gerd. 🙁

G.

Von | 2021-08-26T20:11:33+02:00 16. August 2021|Allgemein|15 Kommentare

15 Comments

  1. Kay 16. August 2021 um 07:52 Uhr

    Dem ist nix hinzuzufügen! Ruhe in Frieden!
    …Bomber der Nation…

  2. Hein Blöd 16. August 2021 um 08:45 Uhr

    Mach et jut, kleines dickes Müller.

  3. Revi22 16. August 2021 um 08:55 Uhr

    Er hat im Training immer so lange spielen lassen bis er gewonnen hatte….. hoffentlich kann er das wo er jetzt ist auch.
    Ruhe in Frieden.

  4. hannover1958 16. August 2021 um 10:08 Uhr

    Wie Peter Kaack aus Kleinkummerfeld und Eintracht Braunschweigs Vorstopper der ersten zehn Bundesligajahre sagte: ” Ein absolut fairer Sportsmann. Und begrüßt hat er mich immer mit den Worten: ach, da ist er ja, der blonde Holzer aus dem Norden…”.

  5. ottensener 16. August 2021 um 10:25 Uhr

    Schöner Blog! Auch traurig!

  6. Matze 16. August 2021 um 10:28 Uhr

    Die wichtigsten Punkte zuerst (und dann ein bisschen off-topic).

    Der vermeidbare Situation der demokratischen Kräfte in Afghanistan durch ein Nichtregieren hier in Deutschland ist absolut beschämend! #EinGanzSchlimmerTag

    R.I.P. Gerd Müller.

    Vielen herzlichen Dank Grave! Mir fällt es schwer die richtigen (!!!) Worte zu finden für das, was du über so viele Jahre hier geleistet hast. Dass du als Kommentator und „Gastautor“ (zumindest aktuell) noch weiter schreibst, freut mich sehr. Dass du die richtigen Nachfolger gefunden hast, freut mich nicht weniger. Der Blick von St. Pauli in die Vorstadt ist dank deinem Blog zu meinem täglichen Ritual geworden.

    Schön, dass ihr, Demo und Alex, übernommen habt. Man merkt, dass ihr brennt. Und hintern allen (!) bisherigen Kommentaren von dir, Demo, hätte ich ein „+1“ setzen können.

    ###

    So, noch ein paar weniger (für mich aber auch) wichtige Punkte zum Derby.

    Auf dem Weg ins Stadion haben wir die Spielerpärchen bewertet. Über Ziereis-Schonlau können wir gern streiten, aber darüber hinaus gehen alle eins zu eins Vergleiche an St. Pauli. Ich glaube nichts sagt mehr über das Herunterwirtschaften der Mannschaft durch Boldt/Mutzel aus.

    Das Aufbauspiel vom HSV sieht ja ganz witzig aus mit der viel Bewegung, den Positionswechsel und den Spielverlagerungen. Aber hinter der ganzen „Verwirrungstaktik“ steckte dann ja doch nur der eine (!!!) Plan Jatta frei zu spielen. Hat ja auch zwei, drei Mal geklappt. Aber um Jatta in Szene zu setzen der ganze Aufwand mit dem Risiko? Echt jetzt???

    Noch ein Satz zu Jatta (und Kinsombi): Durch den „angetäuschten“ Spielaufbau über Links und den Wechsel dann auf die „offene“ rechte Seite hat Paqarada alleine das ganze Spiel gegen das Duo Kinsombi/Jatta gespielt. Und wie oft sind die zwei durchgebrochen? Bei den Räumen, die diese beiden hatten, sagt dieser Wert am meisten über die Qualität der beiden aus.

    Noch ein Satz zur Taktik und dem Risiko im Aufbauspiel: Ist ja schön, wenn man „freestyle“ im Aufbauspiel spielen kann und das Spiel auf die linke Seite verlagert, um Räume auf rechts zu schaffen. Aber beim Verteidigen sollte man diesen Raume hinten rechts auch wieder besetzen und nicht Burgstaller (Vorbereitung zum 1:0) und zweimal Makienok alleine lassen.

    Fazit: Schlechtester Kader der Vorstand überhaupt. Bei der Taktik werden die Spiele auf jeden Fall immer einen unterhaltungswert haben. Bin gespannt, ob es neben Jatta schicken noch einen Plan B von Walter gibt, um zu Chancen zu kommen. Bin gespannt, wie viele Mannschaften das Chaos im Spielaufbau ebenfalls ausnutzen können.

  7. jusufi 16. August 2021 um 11:03 Uhr

    R.I.P Gerd Müller. Ein Sportler, den ein ganzes Land verehrte, der seine Sportart prägte und der keine Allüren hatte. Leider habe ich seine Hochphase noch nicht erleben können.

    Mir ist am Freitag aufgefallen, wie wer schwer sich der HSV tat, im Mittelfeld Zugriff zu bekommen. War die erste Pressinglinie mit Jatta, Kittel und Glatzel überspielt, herrschte im Mittelfeld ein heilloses Durcheinander. Die Abstände stimmten überhaupt nicht und die technisch guten St. Paulianer konnten diesen wichtigen Raum mühelos überbrücken. Außen war Gyamerah eigentlich immer dort, wo er gerade besser nicht gewesen wäre, und Leibold ist untergetaucht. David vor dem 1:2 tölpelhaft, Heuer Fernandez auch mit Stellungsfehler. Völlig verdiente Niederlage gegen einen in allen Belangen besseren Gegner!

  8. Goldfather 16. August 2021 um 13:54 Uhr

    R.I.P

    BOMBER

  9. leonadomicabrio 16. August 2021 um 13:58 Uhr

    Mach’s gut Gerd…
    Schön, dich Mal wieder zu lesen Grave, nur die Umstände sind traurig..

  10. Ex-HSVer+im+Herzen 16. August 2021 um 15:09 Uhr

    Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Ich bin zwar zu jung, um ihn noch spielen zu sehen. Aber das, was er geleistet hat ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Die 40 Tore wird nie einer erreichen – die 41 von Lewandowski zählen für mich nicht, da 8 Elfer dabei waren. Und die Quote von >1,0 in Länderspielen ist auch vom anderen Stern.
    Aber vor allem die bescheidene Art fand ich einfach nur großartig. Müller war ein einfacher, teils simpler Mensch, der sich nicht wichtig nahm.
    Heutzutage sind solche Spieler schon mit 20 Jahren Multimillionäre und meinen sie wären die größte Erfindung Gottes. Deswegen kotzt mich der heutige Fußball so an und ich schaue mir gern Dokumentationen über die Zeit in den 60ern bis 80ern an.

    PS: ich finde, bei so einem Blog können andere Off-Topic Themen von euch auch mal unterlassen werden. 🙏🏻

    • Kevin allein in Hamburg 16. August 2021 um 16:03 Uhr

      Hallo,
      der Meinung bin ich auch. Lewandowski wurden die 11er ja zugeschanzt, damit er den Rekord brechen konnte.
      Müller seine Leistung wird unerreicht bleiben.

      • Ex-HSVer+im+Herzen 16. August 2021 um 16:36 Uhr

        Und mal ehrlich: Früher hätte man die Elfer gar nicht so schiessen dürfen mit dem fast Anhalten/Zwischenschritt. Ich finde die Art unsportlich.

        • Alex 16. August 2021 um 19:57 Uhr

          Geht mir genauso. Unsportlich, unwürdig und regelrecht abstoßend. Passt aber zum Zeitgeist. Sie machen es, weil sie es können. Was für ein dümmlicher Fehler im Regelwerk. Deshalb gab es auch null Bedauern bei den verschossenen Elfmetern der Engländer. Und die Behauptung von Southgate, dass sie seit 2020 Elfer trainiert hätten, war doch Mumpitz. Wer nach monatelangem Training im Wettkampf einen Elfmeter so jämmerlich abschenkt, wurde ganz sicher nicht ausreichend darauf vorbereitet, weder physisch noch mental.

          Apropos Vorbereitung: Nach mittlerweile drei trainingsfreien Tagen (das Spielersatztraining am Samstag war ja nur für die Reservisten), wird es langsam mal Zeit, dass die HSV-“Stars” ihren Arsch wieder hochbekommen…

          • Christian Horner 16. August 2021 um 21:41 Uhr

            Ich bin wirklich gespannt, wie es in Sachen Trainingsfrequenz und -Intensität weitergeht. Insofern freue ich mich auf weitere schonungslose Vor-Ort-Analysen aus Deiner Feder, Alex!

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