Heute machen wir mal eine Pause vom HSV und widmen uns dem Thema Fußball im Allgemeinen.

Football-Leaks, Super-League und eine Winter-WM im Wüstenstaat Katar – der Fußball wird mit aller Macht zerstört. Und der Totengräber des Fußballs heißt Geld.

Der neueste Beweis: Der DFB-Bericht zur WM 2006 und die Pressekonferenz des neuen Präsidenten Joan Laporta zur finanziellen Situation des FC Barcelona. Letzterer sagte:

„Unsere Schulden belaufen sich ab dem 30. Juni auf 1,35 Milliarden Euro.“

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Eintausenddreihundertfünfzig Millionen Euro. Das liegt irgendwo zwischen dem Bruttoinlandsprodukt von Grenada und Guinea Bissau. Die Schulden eines einzigen Fußballvereins! Wie konnte es soweit kommen?

Eigentlich verlief diese Geschichte nicht viel anders als beim HSV, wenn auch in anderen Dimensionen. Jahrzehntelang wurde über die eigenen Verhältnisse gelebt. Getrieben von windigen Finanztricksern haben staatliche Aufsichtsbehörden auf Anweisung von populistischen Politikern bewusst weggeschaut und schlimmstenfalls wurde mit Steuermitteln interveniert. Kommt einem bekannt vor? Kein Wunder, Fußballfans sind auch Wähler.

Schon klar, kein Spieler wehrt sich, wenn, wie im Fall Messi, der Berater ein Gehalt von über 555 Millionen Euro für 4 Jahre Vertrag aushandelt. Über eine halbe Milliarde Euro Gehalt! Für vier Jahre Fußball spielen!!! Wo leben wir eigentlich? Ich meine, der gute Lionel hat ja nicht den Weltfrieden gestiftet, das Geheimnis ewigen Lebens entdeckt oder ein Mittel gegen Krebs erfunden. Er tritt einen Ball mit Füßen. Wie irre ist das?

Was aber keiner so genau checkt ist, dass sein Berater davon ca. 25 % als Provision kassiert. Das sind knapp 140 Millionen Euro. Wann hat ein einfacher Vermittler schon die Chance, soviel Kohle einzustreichen. (Das in diesem Fall der Berater auch der Vater ist, spielt keine Rolle.) Selbst mit Diebstahl, Raub und Erpressung kriegst Du das nicht hin. Diese Summe geht schon in den Bereich von Drogen- und Waffenhändlern. Da darf sich keiner wundern, dass ein System, aus dem man so unfassbare Summen rausziehen kann, mit aller Macht am Leben gehalten wird.

Weil jetzt auch die FIFA erkannt hat, welche Konsequenzen dieses Raubrittertum anrichtet, will sie eine Begrenzung der Beraterprovisionen auf 10 Prozent festlegen. Wie niedlich! Das sogenannte Fußball-Berater-Forum unter Vorsitz von Mino Raiola hatte der FIFA bereits gedroht, Rechtsmittel einzulegen. Man fordert „freien Wettbewerb“. Schon lustig, wenn Leute, die eher dem kriminellen Milieu zugerechnet werden dürfen, anderen mit dem Rechtsstaat drohen. Dumm nur, dass sie wahrscheinlich am Ende sogar als Sieger den Gerichtssaal verlassen werden. Da kann man den Clubs nur sagen: Die Geister, die ihr rieft, werdet ihr nicht mehr los. Oder kurz: Selber schuld!

Schlimmer Finger übrigens dieser Mino Raiola. Genau wie Pini Zahavi, Jorge Mendes, Pere Guardiola (ja genau, der Bruder) oder Volker Struth. Wir sollten mal ein Special über Spielerberater machen, damit man mehr über diese üble Brut erfährt. Aber zurück zu Barcelona und Präsident Laporta:

„Wir haben Verluste in Höhe von 468 Millionen. Die Lohnkosten belaufen sich auf 617 Millionen, was 103 Prozent der Einnahmen entspricht.“

WTF? Man zahlt also mehr Geld an die Fußballer aus, als man mit ihnen einnimmt? Welcher Vollidiot kommt auf solche Ideen? Deswegen konnte man auch nicht mit Messi verlängern, weil selbst die Gehaltskürzungen nicht ausgereicht hätten, um die Registrierungsvorschriften zu erfüllen.

Mal so nebenbei: La Liga (spanischer DFL) hat einen Deal mit Vermarkter CVC abgeschlossen, der sich über die nächsten 50 Jahre erstreckt. 50! Bis 2071!!! Mehr dazu hier: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/la-liga-klubs-billigen-umstrittenen-milliardendeal-mit-cvc-17482857.html

Die Wahrheit ist, Barca ist pleite. Megapleite! Aber lustigerweise macht Laporta Hoffnung auf Besserung. Die Lage sei kompliziert, aber schon in eineinhalb Jahren könne sie weniger bedrohlich sein. Der Klub könne unter anderem über neue Sponsoren Einnahmen generieren. „Wir haben keine Angst. Wir sind hoch motiviert.“ Ach herrje, auf welcher MV habe ich das bloß zuletzt so ähnlich gehört.

Wie das Kapital den Fußball dominiert wird auch am Beispiel des gekauften Sommermärchens deutlich.

Anfang 2020 gab der damalige DFB Präsident Fritz Keller nach Freshfields einen weiteren Untersuchungsbericht zur Aufklärung der Vergabe der WM 2006 in Auftrag. Bei einer Firma namens ESECON (wer Spaß an windigen Anwaltskanzleien hat, bitte mal googeln). Als der Bericht fertig gestellt war, gab der DFB am 16. Juni folgende Pressemeldung raus:

UNTERSUCHUNGSBERICHT ZUR VERGABE DER WM 2006 VORGELEGT

Das vom Deutschen Fußball-Bund mandatierte Beratungsunternehmen Esecon GmbH hat dem DFB-Präsidium heute seinen unabhängigen Untersuchungsbericht zu den Umständen der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 vorgestellt. Nach der heutigen Präsentation des 125-seitigen Berichts werden im nächsten Schritt noch einige vertiefende Stellungnahmen eingeholt. Die Inhalte des Esecon-Berichts sollen daran anschließend, so der Beschluss des DFB-Präsidiums, durch Esecon auch der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Einen Monat später, am 23. Juli klang das dann schon etwas anders:

Das Präsidium des Deutschen Fußball Bundes (DFB) hat heute beschlossen, auf eine Veröffentlichung des Berichtes zu verzichten.

Ach nee, wie überraschend. Erst groß maximale Transparenz versprechen und dann doch wieder unterm Tisch mauscheln. Typisch! Die fadenscheinige Begründung: Der DFB habe ESECON nicht freistellen wollen von der Haftung für Berichtsinhalte gegenüber Dritten und weil der DFB „auch selbst keine Haftung für den Inhalt des Berichtes und die Darstellung externer Personen und Organisationen übernehmen“ wolle.

Der Spiegel, dem der vollständige Bericht vorliegt, schrieb folgendes:

Das Turnier in Deutschland war gekauft.

Das Fazit ist eindeutig: Es wurde für Stimmen gezahlt. Die Ermittler sehen Freundschaftsspiele der Nationalelf und des FC Bayern München als Schmiergeldschiene für FIFA-Funktionäre. Das Geld soll unter anderem in Form überhöhter Fernsehgelder aus der Schatulle des Medien-Moguls Leo Kirch in ihr Umfeld geflossen sein. Die bisherigen Erkenntnisse ergeben, dass FIFA-Exekutivmitglieder beziehungsweise ihre Nationalverbände beträchtliche Geldbeträge erhalten haben und so ihr Stimmverhalten massiv beeinflusst wurde. So hat allein der Kirch-Konzern mehr als 10 Millionen Euro über Beraterverträge oder Freundschaftsspiele an Dritte zwecks Stimmensicherung gezahlt.

Was für eine Sauerei. Aber damit nicht genug: Ein weiterer 10-Millionen-Mark-Vertrag wurde als „stimmensichernde Maßnahme“ gewertet. Diesen Kontrakt habe WM-Werber Franz Beckenbauer mit FIFA-Funktionär Jack Warner erst vier Tage vor der WM-Vergabe-Entscheidung abgeschlossen.

Fun Fact 1: Im Juli 2019 wurde Jack Warner von einem New Yorker Bundesrichter nach Klage des CONCACAFs wegen der Annahme von Schmiergeldern in Zusammenhang mit der Vergabe von TV-Rechten zu einer Strafe von 79 Millionen US-Dollar verurteilt.

Eine ehrenwerte Gesellschaft!

Weiterhin geht es um eine Überweisung des Deutschen Fußball-Bundes im April 2005 in Höhe von 6,7 Millionen Euro über die FIFA an den inzwischen gestorbenen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus. Das Geld wurde als Beitrag für eine Gala zur WM 2006 deklariert, die nie stattfand. Im Jahr 2002 hatte Beckenbauer ein Darlehen von Louis-Dreyfus in gleicher Höhe erhalten, das letztendlich auf Konten des einstigen FIFA-Finanzchefs Mohamed bin Hammam verschwand. Wofür, ist bis heute noch unklar.

Fun Fact 2: Die Ethikkommission der FIFA hat im Februar das Verfahren gegen Zwanziger, Beckenbauer und Schmidt wegen Verjährung einstellt. Der Begriff „Ethikkommission“ darf in diesem Zusammenhang als Realsatire verstanden werden.

Fazit: Daran, dass die WM gekauft war, besteht kein Zweifel mehr. Wer wem dafür Geld gezahlt hat, auch nicht. Und obwohl alles für jedermann offensichtlich ist, fehlt eines: Konsequenzen. Mehr noch, es gibt sogar Stimmen, die diese Methoden auch noch verteidigen.

Fun Fact 3: Beckenbauer ist bis heute Träger des Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Klar, ich habe das Sommermärchen auch genossen. Aber rechtfertigt das Korruption und Betrug? Was passiert mit uns, wenn wir auf alles scheißen, was Recht und Gesetz ausmacht, nur weil das Resultat uns in den Kram passt? Das wäre der Abschied vom Rechtssystem, wie wir es kennen. Wollen wir das wirklich?

Geld macht den Fußball zum Zombie. Ähnlich wie Dubai: Von weitem sieht man Glanz, Glamour und Luxus, aber im Inneren ist alles verfault. Die traurige Wahrheit ist, es wird sich nichts ändern. Der Untote muss weitermarschieren. Der Gehälter- und Beraterwahnsinn geht weiter, die Steuerbetrügereien auch. Ebenso Korruption, Wettbetrug, Intransparenz und das FIFA-, UEFA-, DFB-Funktionärsunwesen. Die Super League wird kommen. Chinesen und Koreaner werden sich mit Scheichs und Russen um Clubanteile streiten und die Fernsehgelder sich in noch absurdere Höhen schrauben. 

Was mit dem Fußball passiert, wenn er unter die Räder des großen Gelds kommt, ist offensichtlich. Und da haben wir noch nicht mal über die Sklavenarbeiter in Katar gesprochen.