Seit einiger Zeit sind neue und unerwartete Flötentöne aus dem Volkspark zu vernehmen. So setzen Boldt und Mutzel jetzt voll auf das Thema „Jugend“ und versuchen ihre pathologische Transfer-Lethargie mit der schmissigen Story von der „jungen Mannschaft mit entwicklungsfähigen Spielern“ zu überkleistern. Atom-Sportvorstand Judas gibt den neuen Weg vor:

„Wir wollen uns entwickeln und mehr auf jüngere Spieler setzen. Wir haben schon immer sehr klar kommuniziert, dass wir hier etwas aufbauen und entwickeln, aber trotzdem sportlich erfolgreich sein wollen. Die Vernetzung zum Nachwuchs ist besser, deshalb werden Spieler nach oben geschoben, die früher im Profibereich vielleicht gar nicht bekannt gewesen wären. Es wächst etwas zusammen.“

Da wächst auch in Sportsfreund Mutzel etwas zusammen und er ergänzt artig:

„Wir haben eine total spannende, junge, entwicklungsfähige und trotzdem auch schlagkräftige Mannschaft zusammengestellt.“

Bei so subtil vorgebrachtem Eigenlob lässt sich Coach Walter nicht lumpen und stimmt fröhlich ins allgemeine Schulterklopfen mit ein:

„Wir haben jetzt noch mehr Potenziale. Das ist das, was wir brauchen.“

Soso! Aha! Junge Spieler aufbauen, Mannschaft entwickeln, zusammenwachsen. Ist das wirklich so? Oder sprechen die Zahlen etwa eine andere Sprache? Nichts ist einfacher, als das nachzuprüfen. Mit dieser Startelf ist Walter am Samstag gegen Sandhausen aufgelaufen:

 

Heuer Fernandes, 28

Gyamerah, 26

David, 21

Schonlau, 27

Leibold, 27

Heyer, 26

Kittel, 28

Kinsombi, 25

Meffert, 27

Wintzheimer, 22

Glatzel, 27

Durchschnittsalter: 25,82 Jahre.

 

Außer David und Wintzi zählt kein Spieler weniger als 26 Lenze. Jung geht anders. Und nach den Auswechslungen von Gyamerah, Wintzheimer, Glatzel und Kittel gegen Jatta, Reis, Muheim und Kaufmann sah das auch nicht viel besser aus.  Aber vielleicht war das Sandhausen Spiel ja die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Welches Team lief denn gegen Heidenheim auf?

 

Heuer Fernandes, 28

Gyamerah, 26

David, 21

Schonlau, 27

Leibold, 27

Heyer, 26

Meffert, 27

Reis, 21

Jatta, 23

Glatzel, 27

Kittel, 28

Durchschnittsalter: 25,55 Jahre

 

Potzblitz, das ist nur unwesentlich jünger. Mit Reis und David die üblichen ein bis zwei 21-Jährigen, alle anderen liegen deutlich über der Altersgrenze für Jungspieler. Und wir sind uns doch wohl einig, dass Daffeh keine 23 ist, oder? Aber weil alle guten Dinge drei sind, schauen wir uns nochmal den Auflauf bei Pauli an.

 

Heuer Fernandes, 28

Gyamerah, 26

David, 21

Schonlau, 27

Leibold, 27

Meffert, 27

Kinsombi, 25

Reis, 21

Jatta, 23

Glatzel, 27

Kittel, 28

Durchschnittsalter: 25,45 Jahre

 

Habe ich was verpasst? Wo ist denn nun diese junge Mannschaft? Boldt und Mutzel wollen uns doch wohl nicht ernsthaft verkaufen, das es sich bei 26-Jährigen um junge, entwicklungsbereite Talente handelt. Gegen Dresden, Darmstadt und Schalke sah die Stellinger Startelf ähnlich aus. Es hat sich also nicht viel verändert, außer, dass das Durchschnittsalter mit jedem Spiel eher gestiegen statt gesunken ist. Im Übrigen betrug der Altersdurchschnitt der Mannschaft von Heidenheim 27 und von St. Pauli 25,91 Jahre. Also kein großer Unterschied zum HSV, nur das deren Sportdirektoren und Trainer nicht öffentlich von Jugendwahn und Entwicklung fantasieren. 

Wer sind denn nun die vielbeschworenen „Jungen“ im Profikader? Nach dem ganzen verbalen Getöse, dem Transfergewese und der Nachwuchs-Vernetzung muss doch jede Menge ehrgeiziges Jungvolk in der Kabine rumlungern, selbst wenn die noch nicht spielen dürfen, können, sollen oder wollen. Als da wären:

 

Im Tor: Johansson (23), Oppermann (20)

Verteidigung: Vuskovic (19), David (21), Muheim (23), Ambrosius (22), Vagnomann (20).

Mittelfeld: Reis (21), Doyle (19), Suhonen (20)

Rechtsaußen: Jatta (23)

Sturm: Winzheimer (22), Kaufmann (20), Meißner (21)

 

Zu den Traumtransfers Johansson und Oppermann spare ich mir jede weitere Bemerkung. Ambrosius und Ganzkörperkrampf Vagnomann sind langfristig verletzt und spielen vorerst keine Rolle. Vuskovic, Doyle, Muheim und Kaufmann sind Leihen und nach einem Jahr wieder weg, allerdings ohne die vielbeschworenen Verkaufsprofite. Denn man kann nicht verkaufen, was einem nicht gehört (sollte man vielleicht auch mal Boldt stecken). Und Jatta ist weder neu noch jung. Bleiben Suhonen, Reis und Meißner und welche Rolle die bisher spielten, hat man ja gesehen: keine besonders große.

Kann ich nicht rechnen oder bleibt vom vielgepriesenen „neuen Weg“ kaum was übrig, wenn man die Realität und die Zahlen betrachtet? Apropos nicht rechnen können: Die Hamburger Presse, die gierig jeden Furz des HSV auf Lunge nimmt, scheint geschlossen unter Dyskalkulie zu leiden und trompetet den Quatsch von den jungen Spielern und der Entwicklungs-Mannschaft mit ganzer Kraft in alle Welt. Der Fette, Kai, von BILD schrieb bereits am 21.8., also lange vor der Verabschiedung von Toni Hüftsteif:

„Der neue HSV-Weg. Die Zukunft des Vereins soll die Ausbildung von Talenten sein. Der neue Coach geht den neuen Weg mit.“

Echokammer und Möchtegernblog mopo24 titelt folgsam:

„Wieder ein neuer Weg – HSV setzt auf Jugend forsch.“

Und auch der NDR stimmt aus vollem Hals in den Chor der Arschkriecher mit ein:

„Der neue HSV-Weg – Sportvorstand Jonas Boldt verkauft die Abkehr von gestandenen Profis und die Hinwendung zu Talenten als Anpassung des ohnehin eingeschlagenen Wegs.“

Ich stelle fest, die Fanverarsche im Volkspark geht munter weiter. Der vielgepriesene „Neue Weg“ ist genau wie die „Säulenspieler“ und alle anderen Konzepte davor nichts anderes als ein Märchen. Opium fürs Volk. Eine Lüge, mit der die Vereinsbosse „um Geduld bitten“, damit sie weiter ungestört Gehälter auf Champions-League Niveau für maximal Zweitliga-Leistung kassieren können. Wo sonst als beim HSV könnte man sich ungestraft solche Transferklöpse wie Amaechi, Leistner, Ulreich und Gjasula leisten? Oder englische U21-Leihspieler verpflichten, die Millionen an Leihgebühr und Gehalt kosten, nur um sie dann als „noch nicht bereit“ beiseite zu stellen. Tim Walter:

„Das ist nicht so, dass sie hierher kommen und gleich dementsprechend loslegen.“

Warum eigentlich nicht? Welchen Sinn haben solch ein Scouting und solche Transfers? Läuft das nach dem Motto: Abwarten, Tee trinken und Kohle raushauen? Ich dachte immer, neue Spieler kosten ab Tag Eins das volle Geld, dann könnte man eigentlich auch volle Leistung erwarten. Aber vielleicht haben unsere Managergranaten Boldt und Mutzel ja kostenlose Probezeit vereinbart, am besten zwölf Monate, hihi.

Man muss kein Hellseher sein, um folgende Prophezeiung zu wagen. In einem Jahr wird vom „neuen HSV-Weg“ genauso viel übrig sein, wie von allen anderen Lügengeschichten zuvor: Nichts!

 

Zu guter Letzt ein Perscheid zum Wochenende: