Ich habe nur zwei Fragen: Warum 5 Minuten Nachspielzeit und was ist eigentlich in den 90 Minuten vorher geschehen?

Offenbar hat der HSV die Schiedsrichter auf seiner Seite in dieser Saison. Anders sind die unendlichen Nachspielzeiten nicht zu erklären. Im Spiel gab es jedenfalls keine Unterbrechungen, die solch eine Verlängerung rechtfertigten. Aber OK, Glück braucht es halt manchmal auch.

Was für ein Spektakel. Nach dem frühen 1 zu 0 für die Rothosen sagte jemand in unserer Gruppe: „Jetzt braucht der Gegner sich nur noch eine Rote Karte abzuholen, dann verliert der HSV das Spiel.“ Und so kam es dann auch. Fast. Frühe Führung, selbstverschuldeter Ausgleich, lange nix und dann schubbert der eingewechselte Doyle in der Nachspielzeit den Ball über die Linie. Kannste Dir nicht ausdenken, sowas.

Wie viele 1000Prozenter braucht eine Mannschaft eigentlich, um ein Tor zu machen? Das war ja unerträglich, wie der HSV sichere Torchancen vergeigt hat. 15 Abschlüsse und nur eine Bude in der regulären Spielzeit. Glatzels Kopfbälle, die dem gegnerischen Torwart in die Hände fallen. Schüsse aus der zweiten Reihe, die in Paderborns Südstadt  wieder runterkommen. Jatta vergeigt es solo vorm gegnerischen Tor. Frei nach Jürgen „Cobra“ Wegmann: „Erst hatten wir keine Qualität und dann kam auch noch Pech dazu.“ Ist schon lustig, wenn Verteidiger torgefährlicher sind als Stürmer. Und von spielerischer Überlegenheit habe ich auch nicht viel gesehen. Stattdessen fand ich die Paderborner in der zweiten Hälfte deutlich williger, bissiger und griffiger als die Hansestädter auf dem Platz. Und am zu Recht zurückgenommenen Elfer lag es nun wirklich nicht.

Eine Veränderung war allerdings sehr auffällig: die Eckstöße. Es gab keine kurzen Ecken mehr. Gut so. Auch wenn die Rothosen nicht mehr draus gemacht haben, als in allen Spielen zuvor. Die normal getreten Ecken fühlten sich einfach gefährlicher an, als die kurz getreten Bälle in allen Spielen zuvor. Und man hat auch keinen zweiten Mann mehr dafür aus dem gegnerischen 16er genommen. Ein Anfang, immerhin. Aber „hoch verdient“ geht anders. Wie hat Judas es mal formuliert: „Wir haben definitiv kein Interesse, nochmal Vierter zu werden“. Soweit korrekt, denn momentan ist man Fünfter.

Hier ein kurzer Vergleich zu der jeweiligen Platzierung in den Jahren zuvor: 

Saison 2018/2019 stand der HSV am 11. Spieltag auf Platz 2 mit 21 Punkten und 13 zu 11 Toren.

Saison 2019/2020 stand der HSV am 11. Spieltag auf Platz 1 mit 24 Punkten und 28 zu 10 Toren.

Saison 2020/2021 stand der HSV am 11. Spieltag auf Platz 4 mit 20 Punkten und 20 zu 16 Toren.

In der Saison 2021/2022 steht der HSV am 11. Spieltag vorläufig auf Platz 5 mit 18 Punkten und 18 zu 13 Toren.

In keiner anderen Zweitliga-Saison hatte man zu dem Zeitpunkt weniger als 6 Siege. Das macht Walters angeblicher Spektakel-Fußball anders. Nur 4 Siege aus 11 Spielen. Die wenigsten Siege, die wenigsten Punkte und der schlechteste Tabellenplatz des HSV ever in der 2. Bundesliga zu diesem Zeitpunkt sind sein bisheriges Vermächtnis. Ist das wirklich so toll, wie es sich gestern anfühlte nach dem späten Siegtreffer? Ich denke nicht! 

Was kann man zu den Individualleistungen sagen? Heyer entwickelt sich zum besten Torschützen. David glänzte erneut mit einigen Blackouts. Leibold war Mecker-Weltmeister und durfte gelbverwarnt die zweite Halbzeit zu recht von draussen anschauen. Muheim fiel nicht positiv auf. Meffert war OK, mehr nicht. Reis brauchte kein Mensch auf dem Pitch. Kinsombi wirkte wie der alte Mann, der er ist, hatte aber einen Moment. Kittel ist immer nah an Beschwerde-Gelb, aber seine Ecken sind besser als zuvor. Alidou war bemüht, entwickelt sich aber in Richtung Glatzel. Glatzel = Chancentod. Jatta = Blindfisch. Doyle = Matchwinner. Boldts Millionenleihe Vuskovic kam in der 96sten und blieb wirkungslos. Tim Walter selber: Schwerst gelbgefährdet an der Außenlinie.

Auf der PK nach dem Spiel war Malle-Timmie die Erleichterung deutlich anzumerken. Sein Statement war dann aber schon etwas absurd:

„Ich glaube, dass die Zuschauer ein sehr interessantes Spiel gesehen haben. Wir sind gut reingekommen und haben uns eine Menge Torchancen erspielt. Dann lassen wir uns die Butter vom Brot nehmen, indem wir den Konter zulassen. Wir müßten vorher schon das zweite nachlegen, das haben wir nicht geschafft. Dann sind wir trotzdem sehr sehr gut aus der Kabine wieder rausgekommen, weil wir uns in der Kabine uns gesagt haben, dass wir weitermachen müssen, dass wir genauso intensiv und überzeugt, wie die Jungs heute komplett aufgetreten sind, mit der Konsequenz in den Dingen, die wir einfordern, vielleicht nicht grade beim Verwerten von Torchancen, aber ansonsten von der Art und Weise, wie wir auftreten, mit der Bereitschaft, mit dem Mut, dass richtig, richtig gut gemacht haben heute.“

Interessantes Spiel? Vorn blass, hinten schwach. Papa Tim kann sich bei der Mannschaft bedanken, dass sie ihm fürs erste den Arsch gerettet hat. Leider. Denn jetzt kann das Gestümper, äh, Pardon, die Entwicklung so weiter gehen. Die drei Punkte waren mehr als glücklich und die Hüpfer können mit Fug und Recht behaupten, gegen den Tabellenvierten reicht es allemal. Zumindest, bis auch Nürnberg, Darmstadt und Karlsruhe gespielt haben.

Drei Punkte geholt in Ostwestfalen gegen Paderborn… wer hätte gedacht, dass man dafür mal dankbar sein darf.

Dafür jetzt mindestens drei Tage trainingsfrei, hüpfhüpf.