Der 12. Spieltag: Siebter Anlauf gegen Kiel in Liga 2. Stolpern die Rothosen erneut oder knacken sie endlich den Kiel-Fluch? Gegen die Förde-Vögel konnte der HSV seit dem Abstieg noch nie gewinnen und – Spoiler Alert! – gestern hat sich daran nichts geändert.

Dabei war die Ausgangssituation so verlockend wie selten. Nach zwei gewonnen Spielen und nachdem die Aufstiegskonkurrenten Schalke, Nürnberg und Pauli gepatzt haben, wäre bei einem Sieg der HSV in der Tabelle auf Platz 5 aufgerückt und hätte – was wichtiger ist – den Anschluss an die Spitze halten können.

Aber die Ausgangssituation war auch so beängstigend wie immer. Nach zwei gewonnen Spielen und nachdem die Aufstiegskonkurrenten Schalke, Nürnberg und Pauli gepatzt haben, kam mit Kiel ein schwacher, angeschlagener, im Abstiegskampf stehender Tabellen-Sechszehnter in den Volkspark. Zusätzlich pikant wurde die Sache, weil mit Porath, Holtby und Arp gleich drei Ex-HSVer an die alte Wirkungsstätte zurückkehrten, dazu als Vierter im Bunde der Ex-Paulianer Finn Bartels, der gestern ein überragendes Spiel machte (Hallo, Jugend-forscht-Walter, der Mann ist 34). Bei all diesen Voraussetzungen durfte man in guter Rautentradition das Schlimmste befürchten: Einen HSV, der Tote wieder zum Leben erweckt. 

Und so kam es dann auch. Der HSV startete wie immer mit viel Ballbesitz und war anfangs auch überlegen. Aber Kiel machte ein Spiel, in dem man tief stand, immer wieder mit schnellen Tempogegenstößen für Gefahr sorgte und sich bis zur totalen Erschöpfung verausgabte. Damit kamen die Rothosen nicht gut klar. Wieder mal.

Hier das Spiel in aller Ausführlichkeit: HSV: 1 zu 0 Führung durch Elfmeter. Dann lange nichts. Wiederanpfiff. 1 zu 1 Ausgleich nach 46 Sekunden durch schnellen Konter. Dann wieder lange nichts. Gegen Ende hektisches Gewusel. Abpfiff. Punkt gerettet.

Zu kurz?

Was soll ich denn noch erzählen, was man nicht schon genauso in den 11 Spielen zuvor erleben durfte. Wenige Spieler beim HSV waren besser als erwartet (Johannsen), einige waren schlechter (Kaufmann, Doyle) und die meisten spielten genauso wie immer (Jatta, Glatzel, Kittel, Wintzheimer). Überzeugend war das jedenfalls nicht, was da ab 20:30 den angeblich 40.000 Zuschauern im Stadion geboten wurde.

Ich habe mehr und mehr ein Riesenproblem mit der Art und Weise, wie Walter Fußball spielen lässt. Und so langsam wird mir auch klar, woran das liegt. Walter Fußball ist Erlebnissport. Es ist viel Bewegung drin, man leistet eine wahnsinnige Laufarbeit, geht früh gegen den Ball, versucht, alles spielerisch zu lösen (dolle Kabinettstückchen, Fari) und kreiert zahlreiche Chancen. Gleichzeitig muss man hinten immer auf der Hut vor schnellen Kontern sein, steht oft blank und kann nur mit letzter Fußspitze retten oder Klasse-Paraden von HF und gestern auch vom Schweden bewundern. Das hat Kick und liefert den Thrill. Dazu kommt, die Mannschaft kämpft, gibt niemals auf und zeigt Wille und Einsatz bis in die Nachspielzeit. Das ist spannend, das ist aufregend, das macht teilweise auch Spaß, keine Frage, und es ist immer unterhaltend.

Aber genau da liegt der Walter im Pfeffer begraben. Die Optik dieses Erlebnis-Fußballs überlagert den Inhalt und macht blind für die wesentlichen Dinge: Profi-Fußball ist nun mal ein Ergebnissport. Man muss punkten! Und ich wiederhole das nochmal, um alle Vollsedierten aus Ihrer Verzückung zu reißen:

MAN MUSS PUNKTEN!!!

Da liegt leider die Sollbruchstelle in Papa Tims Spielkonzept. Zwölf Spiele, eine Niederlage, vier Siege, aber sieben Unentschieden… das reicht nicht für einen Aufstiegsaspiranten. Und es ist riskant. Die Siegtreffer gegen Sandhausen und Paderborn fielen in den Minuten 96 und 94, der Ausgleich gegen Aue in Minute 94. Das lief jedesmal mehr als glücklich für Papa Tims Truppe. Ohne diese 5 Punkte stünde der HSV heute auf Platz 12, zwischen Düsseldorf und Dynamo. Und genau da sehe ich diese Mannschaft qualitätsmäßig auch.

Leider hat diese Art von Fußball noch einen weitern, sehr unangenehmen Nebeneffekt: Sie liefert den Verantwortlichen und vielen Hardcore-Hüpfern jede Menge Ausreden nach dem Motto: „Was wollt ihr denn, die Mannschaft rennt und tut und macht, sie zeigt Wille und Einsatz und erarbeitet sich doch auch viele Chancen, man sieht, wir sind insgesamt auf einem guten Weg, gebt uns jetzt noch ein bisschen Zeit, bis die Entwicklung Früchte trägt, dann kommen auch die Punkte. Wir müssen uns halt mehr belohnen.“

Ich kann diesen Satz nicht mehr hören.

Seit 12 Spielen muss man sich „mehr belohnen“. Dieser Satz heißt auf Deutsch nichts anders als: Wir schießen keine Tore. Leider ist das der einzige Sinn und Zweck dieses Spiels. Das Glatzel kein Terodde ist, hat er gestern wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Das Wintzheimer und Kaufmann nicht besser sind, stimmt leider auch. Von Jatta und Kittel wollen wir gar nicht erst anfangen. Wenn die Verteidiger keine Tore machen, klingelt beim HSV vorn nichts. Einziges Tor gestern war ein Elfmeter. Was soll man dazu noch sagen? Vielleicht das: Mein Gott, Walter, lass‘ endlich Torschüsse üben bis zum Umfallen. Und an die Herren Boldt und Mutzel: Nutzt die Winterpause, verdammt nochmal.

Ich nehme an dieser Stelle mal was vorweg und zwar das morgige Butzel-Interview zum Spiel:

„Natürlich sind wir ein Stück weit enttäuscht, die Mannschaft wollte unbedingt zuhause gewinnen. (Knet.) Wir waren über weite Strecken auch das bessere Team. (Knetknet.) Ein Stückweit war die Enttäuschung der Fans zu spüren, das tut uns auch leid. (Ziehknet.) Pfiffe habe ich jetzt keine gehört. (Knetknetknet.) Positiv ist, dass wir selbst daran schuld sind. (Knetknödelknödelknet.) Wir haben eine Überzeugung von der wir überzeugt sind. (Knetknetknatter.) Das System steht, aber es braucht Geduld in der Entwicklung. (Knet.)“

Gottseidank ist man gestern der Höchststrafe nochmal entgangen: Fiete Arp, Finn Porath und Kasper „Von-Hamburg-wird-nichts-bleiben“ Holtby haben kein Tor gegen ihren Alt-Arbeitgeber gemacht. Ein Fortschritt zu vergangenen Spielzeiten, immerhin. Wobei grade Fiete nah dran war am Siegtreffer für Kiel. Glück haben sie diese Saison ja, die Mannen von Papa Tim.

Nachzutragen wäre dann noch: Sämtliche Einwechselungen von Walter stachen diesmal nicht.

 

Themenwechsel

Heya, Auweia. Was sollte eigentlich die schwachsinnige Aktion mit den falsch geschriebenen Spielernamen? 

„Mit dieser Aktion möchten wir auf LRS hinweisen, sensibilisieren und zu mehr Toleranz aufrufen.“

So dazu der Verein auf seine Homepage : https://www.hsv.de/news/hsv-setzt-zeichen-fuer-den-umgang-mit-lrs. Ich empfand das nicht als sensiblen und sinnvollen Hinweis. Ich hatte eher das Gefühl, da macht sich einer lustig über LRS. Wäre ja nicht das erste Mal, dass sich der Verein ins Knie schießt mit solchen Aktionen. Aber DAZKE für die gute Absicht.

 

Der Satz des Tages

Stammt heute von „Tremsbütteler“ aus dem Insolvenzblog:

„Wie will man eigentlich im Stadion die G-Regeln sicher stellen, wenn man es immer noch nicht schafft, das Mitbringen von Feuerwerkskörpern zu verhindern?“

Eine gute Frage, eine sehr gute Frage.

 

Noch eine sehr gute Frage: Wo war eigentlich Suhonen?