Volker Struth, laut eigenem Bekunden „Im Auto gezeugt, bei der Oma aufgewachsen“, hat etwas aus sich gemacht. Und diese Erfolgsgeschichte teilt der Selfmade-Mann nun mit der ganzen Welt. In seinem Buch mit dem Titel „Meine Spielzüge – Aus der Kohlensiedlung zum erfolgreichsten Spielerberater Deutschlands“ erzählt er von seinem Leben, seinen Erfolgen und davon, wie absurd es im deutschen Profi-Fußball so zugeht.

Man beachte auch den runden, gelben Aufkleber (in der Branche nennt man so etwas einen „Störer“) auf dem viele Kaufan-Reizworte gedruckt sind: Toni Kroos, Dayot Upamecano, Benedict Höwedes, Marco Reus, Mario Götze, Rainer Calmund, Niklas Süle, David Alaba, Julian Nagelsmann,… da merkt man gleich, das muss einer sein, der viele kennt, die ich auch kenne. Potzblitz, was ein Teufelskerl, her mit dem Buch.

In der Tat, der Mann ist bemerkenswert, aber vielleicht anders, als er denkt. Auf jeden Fall ist er nicht uneitel.

Volker Struth – Das V steht für Victory.

Struth brachte Toni Kroos zu Real Madrid und machte ihn zum bestbezahlten deutschen Spieler. Er war Berater von Marco Reus und Mario Götze und hat seine Agentur 360Sports, vormals SportsTotal, zu einer der größten Spielervermittlungsfirmen in der Fußball-Welt entwickelt. Hier ein Interview mit ihm Anfang des Jahres im Sport1 DoPa anläßlich Corona und Fußball, aber auch der Umfirmierung seiner Agentur:

https://www.sport1.de/news/fussball/2021/01/spielerberater-agentur-sportstotal-loest-sich-auf?jwsource=cl

Eine der zentralen Weisheiten in seinem Buch lautet:

„Du musst als Agentur groß sein. Denn Größe bedeutet Macht auf dem Markt, an die Großen trauen sich die anderen nicht so schnell heran. Das ist im Löwenrudel so und in der Beraterbranche nicht anders.“

Schöner Vergleich mit dem Löwenrudel. Ich hätte eher auf Hyänen oder Piranhas getippt, aber gut. Groß ist Struth jedenfalls. Wer möchte, kann unter

https://www.transfermarkt.de/sports360-gmbh/beraterfirma/berater/199

einen Blick auf die von Sports360 betreuten Spieler werfen. Neben solchen Namen wie Upamecano, Süle und Nagelsmann hat Struth auch die HSV-Spieler Glatzel, Meffert und Gyamerah unter Vertrag. Desweiteren sind auf seiner Liste folgende HSV-Alt-Stars zu finden: Simon Terodde (Schalke 04), Adrian Fein (SpVgg Greuther Fürth), Dennis Diekmeier (SV Sandhausen), Mladen Petric (vereinslos) und Stürmerstar Bobby Wood, der bei seinem Verein Real Salt Lake City neulich gegen einen 13jährigen ausgewechselt wurde.

Insgesamt repräsentiert Sports360 mehr als 80 Spieler mit einem Marktwert von über 360 Mio. Euro. Damit sind Volker Struth und 360sports ein elementarer Machtfaktor im deutschen Fußball. Wie diese Menschenhändler vorgehen zeigt folgende Aussage:

„Ich akquirierte unterdessen mit Niklas Süle einen weiteren Nationalspieler. Einige Monate zuvor hatte sich Niklas das Kreuzband gerissen. Ein verletzter Fußballer fühlt sich schnell von aller Welt vergessen, wusste ich, und schrieb ihm genau deshalb eine Nachricht. Aus einer Nachricht wurden Treffen, aus Treffen eine Zusammenarbeit.“

Interessant! Genau so akquirieren auch Unfallanwälte in den USA, wenn sie wie die Geier in Krankenhäusern und ER-Stationen Unfallopfer oder deren Hinterbliebene als Klienten angraben. Auch scheint Herrn Struth eine sadistische Ader oder zumindest ein gewaltiger Machtkomplex nicht abzugehen:

„Am Tag nach der Akquise eines wichtigen Spielers bei seinem Verein anzurufen ist für mich immer noch ein Moment wie beim Kindergeburtstag, wenn alle Kerzen auf dem Kuchen brennen. „Herr Rummenigge, ich wollte Ihnen nur kurz mitteilen, dass wir ab sofort Niklas Süle beraten.““

Das wird besonders der gute 360Sports-Kunde, Herr Karlheinz Rummenigge sehr gern lesen. Fun fact: Dessen Sohn Roman hat übrigens eine eigene Spielerberater-Agentur, allerdings (noch) nicht solche Spielernamen auf der Liste.

„Ich stellte mich darauf ein, dass ich wegen unserer Arbeit für Julian Nagelsmann in nächster Zeit mit Dreck beworfen würde. Wie bereits beschrieben, sind Diffamierungen im Fußballgeschäft gang und gäbe. Dass wir fortan beim FC Bayern den Trainer und zwei Spieler betreuten, würde zu Unterstellungen führen. So werden nun irgendwelche Berater Bayern-Spieler und Reporter mit der Behauptung füttern, Dayot Upamecano spiele immer, weil er bei derselben Agentur wie der Trainer sei. Glauben diese Diffamierer tatsächlich, ein Weltklassetrainer lasse sich in die Mannschaftsaufstellung reinreden?“

Für Geld machen Menschen alles. Wer wüsste das besser, als Herr Struth, der Mario Götze von Dortmund zu den Bayern holte (was für Götze gar keine gute Entscheidung war) oder Julian Nagelsmann für 25 Mio von RB Leipzig ebenfalls nach München.

Auch den HSV-Fans ist „Luschenlieferando“ Struth ein wohlbekannter Name. In kongenialer Zusammenarbeit mit dem lustigen Leverkusener Zeppelin Rainer Callmund „unterstützte“ er den HSV mit Spielern wie Luca Waldschmidt, Andre Hahn und Bobby Wood. Also „unterstützte“ im Sinne von „ausbluten lassen“. Über diese für den HSV sehr unrühmliche Zeit hat der Pate von Köln auch in seinem neuen Buch geschrieben. Wer hätte gedacht, dass da alles ganz anders klingt? Ich zitiere hier mal die BILD vom 28.10.21:

„Klaus-Michael Kühne ergriff das Wort. Er habe dem HSV bereits mehrere millionenschwere Darlehen gewährt, erst vergangenen Sommer habe er die Verpflichtung des schwedischen Mittelfeldspielers Ekdal für vier Millionen Euro finanziert, und was sei mit der Lusche, permanent verletzt sei die! (…)

,Weil Sie den Ekdal erwähnen. Wie viel hat der gekostet, sagten Sie? Vier Millionen. Herr Kühne, das ist viel Geld, damit können Sie einen Flügel der Elbphilharmonie bauen, aber im Fußball kriegen Sie da heute keine gestandenen Klasse-Spieler mehr, sondern eben einen talentierten Spieler, der einen ruhigen, strukturierten Verein braucht, um sein Potenzial eventuell abzurufen. Hängen Sie an die vier Millionen mal eine Null dran, dann können Sie den HSV mit Geld nach oben bringen.

,Sie meinen, ich sollte 40 Millionen investieren?‘

,Besser wären 50, und zwar jede Saison, über mindestens drei Jahre.‘

,Das werde ich niemals tun!‘

,Müssen Sie ja auch nicht. Sie haben mich nach meiner Meinung gefragt, und ich habe Ihnen meine Antwort gegeben.‘

,Ich werde hier niemals 150 Millionen reinstecken!‘

Einen Tag später lädt Kühne Struth auf sein Boot vor Mallorca ein.“

Wow, was ist der Struth doch für ein feiner Kerl und ganzer Mann, Stichwort: Rücken gerade und so. Ob Kühne sich genauso gut porträtiert fühlt? Aber weiter im Text:

„Theoretisch war das, was ich vor mir sah, ein Boot. Es hatte eine Reling, ein Deck. Ansonsten erinnerte Kühnes Jacht eher an eine schwimmende Villa. Der Konferenz-Tisch an Bord schien für ein komplettes mittelständisches Unternehmen konzipiert.“

Auch wenn es Struth ist, der das schreibt, keiner kann Home-Story wie unsere Freunde von der Rudi-Dutschke-Straße bzw. vom Axel-Springer-Platz. 

„,Also‘, sagte Kühne. Er wäre bereit, in den angedachten Dimensionen in den HSV zu investieren, wenn er mich an seiner Seite wüsste. Wie würde das dann ablaufen? Er verlangte von Didi Beiersdorfer die Garantie, dass ich über jeden Wunschspieler des Vereins informiert würde, und er verlangte von mir, dass ich mich über jeden Vorschlag eingehend informierte. ,Bringen Sie auf jeden Fall auch eigene Ideen ein!‘ (…) Abrupt wandte er sich Didi zu. ,So, Herr Beiersdorfer, und jetzt lassen Sie mich mal bitte eine Viertelstunde mit meinem Berater alleine.‘ (…)

Wer noch einen letzten Beleg dafür benötigte, was der Verbrennungs-Schlumpf für ein eierloser Versager war, bitteschön, da nich‘ für. Noch’n Fun fact: Kühne gab damals auf hsv.de folgenden Satz zum Besten: „Ich war über die Spekulationen von bis zu 50 Millionen Euro sehr überrascht. Der Betrag ist völlig aus der Luft gegriffen.“ Sieh‘ an, genau dasselbe sagen heute alle Betreffenden auch von dem Kaufpreis Wüstefelds für Kühnes Aktien: 1 Euro pro Aktie ist völlig aus der Luft gegriffen. Aber das gehört nicht in diesen Blog.

„Im Sommer 2016 verpflichtete der HSV den heutigen Nationalspieler Luca Waldschmidt.

,Wie ist das denn, Herr Kühne, wenn der richtig durchstartet und dem HSV irgendwann 15 Millionen Ablöse einbringt, haben Sie sich da eine Gewinn-Beteiligung zusichern lassen?‘

,Wenn der Waldschmidt so gut wird, dann darf der gar nicht mehr weggehen.‘ Denn er, Kühne, wolle doch irgendwann den HSV wieder gegen Real Madrid sehen.“

Für Waldschmidt kassierte Gutmensch Struth natürlich die damals üblichen 10 bis 15 Prozent Provision. Genauso wie für die Vertragsverlängerung von Wood, Diekmeier und anderen. Peanuts. Richtig lustig wird’s dann auch in dem Buch:

„Ich hatte einen Tipp bekommen, ein richtig starker französischer Nationalspieler von Newcastle United sei zu haben, Moussa Sissoko. Das war ein Gigant! An dessen Schultern prallten Gegner ab. Aber Labbadia wollte ihn nicht. Labbadia, so kam es mir vor, wollte aus Prinzip keinen Spieler mehr, den ich vorschlug. Er machte ständig Gegenvorschläge. Wieder gab es eine Telefonkonferenz.

Kühne brüllte Didi Beiersdorfer an: ,Jetzt holen sie doch endlich diesen Yohoko.‘“

OK, Kühne als senilen Trottel mit rassistischen Untertönen darzustellen, ist hart. Offenbar ist Struth sich 1000prozentig sicher, das Kühne nie wieder als Geldgeber für den HSV in Erscheinung treten wird, sonst würde er sowas nicht veröffentlichen. Interessante Info auch für alle HSV-Fans, die denken, KlauMi gäbe nochmal Geld für den Verein.

So wurde gestritten, gefeilscht, gehakelt – in einem Führungsteam, das eigentlich blind zusammenarbeiten sollte. 33 Millionen Euro allein für Ablösezahlungen investierte der HSV mit Kühnes Hilfe schließlich im Sommer 2016 in neue Kräfte. Investitionen in dieser Größenordnung hatte ich ihm empfohlen. Doch trotz faszinierender einzelner Zukäufe fehlte das Wichtigste: eine stringente Linie. Kriegte der Trainer seinen einen Wunschspieler, durfte der Sportvorstand dafür seinen kaufen. Ich hatte einen wunderbaren Crashkurs erhalten zum Thema: Warum es mit dem HSV nie etwas wird.“

Wieso darf dieser Vogel eigentlich noch Geschäfte mit dem HSV machen? Und, ja sicher, alle 360-Transferflops sind natürlich nicht die Schuld von Edelberater und Ehrenmann Struth. Klar, das waren zwar alles seine Spieler und Empfehlungen, aber in Wahrheit ist natürlich der HSV mit den Trainern Labbadia und Gisdol, dem AR-Vorsitzendem Gernand, den Vorständen Wettstein und Beiersdorfer und natürlich Mäzen Kühne für die grausamen Fehlentscheidungen komplett allein verantwortlich. Was muss der arme Mensch gelitten haben.

„Mein Ruf litt. Einige Hamburger Aufsichtsräte und Journalisten witterten hinter jedem meiner Vorschläge persönliche Interessen. Empfiehlt er Spieler, an deren Transfers er mitverdient? Lehnt er Spieler von rivalisierenden Beratern ab?“

Wie kommt man nur auf sowas?

Mein Engagement als Mäzen-Berater in Hamburg war grundsätzlich ein großer Fehler. Die Frage war nur, wie ich da wieder rauskam. Mitte November rief ich Calli an. ,Pass auf, Calli, du hast mir das eingebrockt. Du hilfst mir, da wieder rauszukommen. Du rufst jetzt den Kühne an und sagst ihm, ich müsste den Berater-Job leider aufgeben, die Arbeit sei in der Branche nicht mehr vermittelbar.‘ Am Montagmorgen hatte ich eine E-Mail von Herrn Kühne im elektronischen Postfach. Herr Kühne beschimpfte mich. Er habe mir vertraut, und jetzt ließe ich ihn nach einem halben Jahr im Stich, mit den ganzen Luschen, zu denen ich ihm geraten hätte (…)

Ich verzichtete auf das verabredete Honorar, ich wollte auch keinen Anteil der 500 000 Euro haben. Ich wollte meinen Seelenfrieden zurück.“

Happy End und Seelenfrieden für einen Wohltäter und Gutmenschen. Ob Luschenlieferando Struth wohl auch seine Spielerprovisionen in Millionenhöhe zurückgegeben hat?

Aber es ist schon interessant, wie der freche Volki in seinem Buch in jede Richtung nachtritt (Verein, Führungspersonal, Kühne) und vertraulichste Internas rausposaunt. Hat die Plaudertasche keine Angst, dass ihm das beim nächsten Deal auf die Füße fällt? Oder ist er schon so mächtig, dass er vor niemandem mehr Angst haben muss? Dann muss der Fußball Angst vor ihm und seinesgleichen haben.

Ich beschließe diesen Blog mit einem letzten Buchzitat:

„Willkommen in der schönen Welt der Spielerberatung.“

 

PS: Volker Struth ist der einzige Promi den ich kenne, der keinen Wikipedia-Eintrag hat. Bemerkenswert.