Bedingungsloser Support, sagen die Einen. Als Fan eines Sportlers, eines Musikers oder eines Vereins hat man gefälligst zu jubeln. Denn nur bei hingebungsvollem und bedingslosen Support kann ein Mensch, ein Klub oder eine Insitution, die im Licht der Öffentlichkeit steht, funktionieren und gedeihen. Man muss ihn/sie auf Händen tragen, muss über Schwächen hinwegsehen, sie sogar komplett ausblenden. Man muss zu ihm stehen, in guten wie in bösen Stunden, ansonsten hat man es nicht verdient, sich „Fan“ nennen zu dürfen.  Wikipedia sagt dazu:

Ein Fan ([fɛn]; von LateinFanaticus – von der Gottheit ergriffen, in rasende Begeisterung versetzt; Englischfanatic – eifernd, sich rücksichtslos einsetzend, schwärmerisch) ist ein Mensch, der längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem für ihn externen, öffentlichen, entweder personalen, kollektiven, gegenständlichen, abstrakten oder sportlichen Fanobjekt hat und in die emotionale Beziehung zu diesem Objekt Ressourcen wie Zeit und/oder Geld investiert.[1] 

Fan kommt englischen Begriff „fanatic“, fanatisch. Fanatisch bedeutet an dieser Stelle wohl blind. Ohne eigene Meinung. Rasend. Ein Fan verteidigt das Objekt seiner Begierde bis zur Selbstverleugnung, Kritik an dem Sportler, dem Musiker, dem Verein oder der Partei ist nicht unerwünscht, sie ist bei Todesstrafe verboten. Ein Fan kritisiert nicht, ein Fan folgt. Bis zum bitteren Ende. In diesem Moment beginnt, zumindest aus meiner Sicht, der große Fehler in dieser Geschichte, denn meiner Meinung nach kann man nur dann Fan sein, wenn man sieht. Und wer sieht, sieht eben auch die Fehler des Objekts. Diese auszublenden zeugt nicht von Hingabe, es zeugt von Verblendung, aber eben nach genau solchen Individuen wird gesucht. Nach kritikfreien Jubelpersern, denen man keine Fragen beantworten muss, weil sie laut Selbstdefinition nicht fragen dürfen. Oder wollen. Sie folgen und das macht sie so gefährlich.

Fans zu haben ist für jemanden, der im Wesentlichen von seiner Fanbase lebt, unersätzlich und es gibt wohl niemanden, der nicht bedingungslos geliebt und verehrt werden möchte. Das Problem mit den Fans ist halt nur: Wachen sie irgendwann einmal auf, geht es binnen Sekundenfrist in die andere Richtung, aus Fans werden Feinde. Wie enttäuschte Liebhaber, die sich vor wenigen Tagen noch eine gemeinsame Zukunft vorstellen konnten, reagieren desillusionierte Ex-Fans extrem. Das, was sie gestern noch bis zum letzten Blutstropfen verteidigt haben, ist plötzlich Gegenstand ihrer tiefsten Abneigung. Und in den allermeisten Fällen gibt es kein Zurück mehr. Eben auch aus diesem Grund halte ich extremen und vor allem blinden Fanatismus für übel und gefährlich, aus meiner Sicht ist man eigentlich eher dann Fan, wenn man kritisch ist. Wenn man die Schwächen seines Götzenbildes kennt und damit umgeht und nicht, indem man sie verneint. 

Wie kann ich mir eigentlich wirkliche Sorgen und Gedanken um das machen, was ich anbete, wenn ich all die Schwächen, Mißstände, Fehler und Niederlagen ausblende? Grundsätzlich andere dafür verantwortlich mache? Den Fehler nie beim wirklichen Verursacher suche? Viele sogenannten Fans haben nicht begriffen, dass es ab einem bestimmten Zeitpunkt gar nicht mehr das Objekt ist, welches sie feiern und anbeten, sondern sie feiern ihr eigenes Fan-Sein. Dies nimmt irgendwann eine wichtigere Rolle ein als das, was man ursprünglich einmal supported hatte. Ein echter, ein richtiger Fan, der denkt mit. Der sieht die Tatsache, die Realität. Er lernt damit umzugehen, sucht Lösungsansätze, versucht zu helfen. Diese Einstellung macht ihn nicht weniger leidenschaftlich als den Fanatiker, aber es macht ihn weniger extrem und Extremismus hat noch niemandem geholfen. 

Tatsächlich aber geht das Problem noch tiefer und es wird durch die Pandemie verstärkt. 

Zu Beginn der Corona-Pandemie war eines der Hauptthemen die Entfremdung des Profifußballs von seinen Fans. Bleibt da etwas zurück?

Gabler: Ich befürchte es. Viele Menschen haben in den nunmehr anderthalb Jahren einfach erlebt, dass sie das Wochenende anders gestalten können. Sie haben sich von den festen Ritualen entwöhnt. Das ist an sich ein ganz normaler Prozess. Es gibt immer Leute, die sich vom Fußball abwenden. Gleichzeitig gab es aber auch immer junge, neue Leute, die sich vom Stadionerlebnis haben begeistern lassen. Das ist nun anderthalb Jahre ausgefallen.

Einige Leute haben sich auch vom Fußball abgewendet, weil ihnen noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt worden ist, dass der Fußball nicht nur ein Sport, sondern eine Unterhaltungsindustrie ist. Und die musste nach einigen Monaten die Produktion wieder aufnehmen. Man muss gucken, inwieweit die Prozesse und Reformen, die DFL und DFB mit der Taskforce Zukunft Profifußball angestoßen haben, diese Fans zufrieden stellen können. (Quelle: NDR.de)

Der Fußball hat nämlich nicht nur seine Unschuld, er hat auch den allerletzten Rest seiner Glaubwürdigkeit verloren. Weltmeisterschaften in Katar, internationale Ligen, die niemand mehr versteht und nicht verstehen will. Wie groß war das Geschrei im letzten Jahr, als klar wurde, dass man auf absehbare Zeit nur noch Geisterspiele würde austragen können: Aus purer Existenzangst wurden von Verantwortungsträgern Sprüche wie „Der Fußball muss sich ändern“ oder „So können wir nicht weitermachen, die Schraube ist überdreht“. Und heute? Was ist von all den Lippenbekenntnissen geblieben? Nichts! Weniger als nichts! Die Gehälter sind eher gestiegen, die Ablösesummen genauso absurd wie die Beraterhonorare. Inzwischen werden drei Vereine von einzelnen Staaten aus dem mittleren Osten betrieben, einen fairen Wettbewerb gibt es schon lange nicht mehr. Aber viele Fans haben verstanden, sie haben realisiert, dass sie vorsätzlich belogen und betrogen werden. Und wie reagiert der betrogene Liebhaber? Er kauft sich eine Pistole. (Zita aus: Der Anschlag)

Aber, und das ist die kranke Seite der Medaille: Es gibt auch immer noch geistige Müllmänner, die Helm-Peter witzig finden und dem Brüll-Primaten Geld überweisen, damit er über ihre Verblödung lacht. Diese sind aber wohl nicht mehr zu retten.