Ich frage mich ja immer wieder, warum ausgerechnet diejenigen, die sich am lautesten in Blogs, Foren und Podcasts zu Wort melden und meinen, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, am wenigsten von der Materie verstehen. Dabei ist es eigentlich gar nicht so schwer, man muss sich nur die richtigen Fragen stellen. Man muss gar nicht bis zu den Gründervätern zurückblicken, es reicht, wenn man die letzten Jahre betrachtet, denn tatsächlich dreht sich dieser Verein nur um sich selbst, wobei die Tendenz zur Abwärtsspirale durch verschiedene Faktoren verstärkt wird. Aktuell jault mal wieder die halbe Boulevardpresse und die ahnungslosesten unter den Insolvenzbloggern nach dem ach so vernachlässigten und heute aktuellen Nachwuchskonzept, dem optimierten Scouting und dem Zwang, endlich einmal auf die eigene Jugend zu setzen. Diese Idee ist allerdings weder besonders neu noch innovativ, sie wird nur immer dann aus der Versenkung befreit, wenn den Losern nichts anderes mehr einfällt. Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass der HSV seit vielen Jahren, spätestens jedoch seit 2014, jedes Jahr € 8 Mio. des nicht vorhandenen Geldes in dieses sogenannte Nachwuchskonzept feuert. Auch heute noch, mit wie immer überschaubarem Erfolg. Der Umstand, dass nun plötzlich Welt-Juwelen wie Ambrosius, Vagnoman oder Alidou wie die Phoenixe aus der Asche auftauchen, liegt nicht daran, dass sie besser sind als ihre Vorgänger Feka, Götz oder Ito. Der HSV ist nur inzwischen im Mitttelfeld der Öd-Liga angekommen und hier sind die Ansprüche nicht mehr so groß. Vergangene, gescheiterte Juwelen könnten in dieser Mannschaft garantiert mitbolzen, für die Bundesliga hat es jedoch nicht gereicht. 

Aber weiter im Text, wir waren bei den richtigen Fragen. Also, wie kann es sein, dass beispielsweise ein Narey in Hamburg eigentlich die Karikatur eines professionellen Fußballers abbildete, in Düsseldorf ist er nun regelmäßig Man of the match? 13 Spiele, 4 Tore, 7 Vorlagen. In Hamburg reibt man sich immer noch die Augen, das Gleiche gilt für einen vom Hof gejagten Klaus Gjasula. Vom 3. bis 9. Spieltag in Darmstadt immer auf dem Platz, wurde er anschließend erst durch eine Corona-Infektion gestoppt, mit den Lilien steht er aktuell auf Platz 4, vor dem Verein, der ihn mit Abfindung aus der Stadt gejagt hat. Wollen wir über Filip Kostic reden? Wollen wir über gefühlte 2.000 Spieler reden, die in Hamburg über ihre eigenen Füße stolperten und in der Ferne plötzlich und wie von Geisterhand präzise Flanken schlagen können? Warum wird in Hamburg gefühlt jeder Spieler und jeder Trainer schlechter? Ich bin zu 100% davon überzeugt, dass man Kinsombi nach Kiel zurückschicken könnte und der Mann dort wieder so performen würde wie zu dem Zeitpunkt, als sich der HSV entschied, € 3,5 Mio. auf den Tisch zu blättern. Also – wie kann das sein? Es kann doch nicht an all den Spielern und Trainern (sogar Sportchefs) gelegen haben. 

Das Scouting. Immer wieder lese ich in diesen Wochen, der HSV müsste beim Scouting besser und „findiger“ werden, was für ein Bullshit. Ihr könnt zu 100% sicher sein, dass die Verantwortlichen beim Verein all die Spieler, die in Blogs und Foren diskutiert werden, auf dem Schirm haben. Die kennen die Jungs, sie kennen auch die übertalentierten 14-Jährigen, aber sie kriegen sie nicht. Vor einigen Jahren hatte ich mal das Glück, mich mit einem HSV-Scout unterhalten zu können und er nannte mir damals zwei Namen von Spielern, die mir zum Zeitpunkt unseres Gesprächs wenig sagten. Er meinte, dass man diese Spieler natürlich gesehen und beobachtet hatte und man hatte ihr Talent wohl erkannt, aber man bekommt sie nicht. Diese Spieler waren schon zu B- oder C-Jugend-Zeiten für den Verein nicht mehr erschwinglich, aber das HSV-Scouting hatte sie sehr wohl auf dem Schirm. Bei den beiden Spieler handelte es sich übrigens um Julian Brandt und Pierre-Emile Höjbjerg. Man kann sich also die Vorstellung, dass das HSV-Scouting hinter dem Mond lebt, getrost abschminken. 

Wenn es also nicht an den Spieler, den Trainern, dem Scouting oder dem Nachwuchsleistungszentrum liegt, woran liegt es dann? Ganz einfach, es liegt am Verein. Es liegt an dem, für was dieser Verein steht und das große Problem besteht darin, dass genau das eben nicht zu ändern ist. Man könnte das gesamte Personal der Geschäftsstelle tauschen, den Vorstand, den Aufsichtsrat, den Trainer und alle Spieler feuern, aber der HSV bliebe der HSV. Seine eigene Geschichte wird diesem Verein immer im Weg stehen, sein Ruf ist zementiert und nicht umkehrbar. Man könnte 1425 Kommunikations-Agenturen beauftragen und 54 neue Leitbilder formulieren lassen, der HSV bliebe der HSV. Ein angeblich großer Verein, latent überheblich und erfolglos, der von nichts anderem lebt als von seiner angeblich so großartigen Vergangenheit, die bei genauem Hinsehen eben doch nicht so überragend ist, die aber immer wieder überragend gelabert wird. Würde man alle Personen austauschen und ersetzen, man hätte innerhalb weniger Wochen doch wieder den Verein, den man eigentlich abschaffen wollte. Dieser Teufelskreis ist nicht mehr umkehrbar, die Zukunft dieses Vereins ist vorherbestimmt. Deshalb kann es nur eine Lösung geben, möchte man in Hamburg perspektivisch einen wirklich erfolgreichen Fußball-Klub implementieren.

Man gründet einen komplett neuen Klub. 

Tatsächlich bräuchte man einen verrückten Milliardär a la Hopp oder Mateschitz und ein Konzept. Man müsste irgendwo auf dem Grasbrook ein neues Stadion bauen lassen und vielleicht einen Hamburger Fußball-Klub gründen. Die Lizenz eines Oberligisten übernehmen und einen Verein mit professionellen Strukturen, finanziell abgesichert aufbauen. Man bräuchte Personal wie beispielsweise einen Ralf Rangnick, der ein Konzept leben und den Beweis antreten möchte, dass so etwas funktionieren kann und nicht Fußball-Söldner und Vereins-Nomaden, die den Verein als austauschbaren Goldesel benutzen wollen. Ein Rangnick übrigens würde am aktuellen HSV ebenso scheitern wie seine zahllosen Vorgänger, weil dieser Verein in seiner existierenden und nicht veränderbaren Form Erfolg gar nicht zulässt. Was aber würde mit dem Hamburger Publikum passieren, wenn man ein solches Projekt aufsetzen würde? Ich bin mir zu 100% sicher, dass dieser Verein innerhalb kürzester Zeit eine echte und gute Fanbase rekrutieren würde, es gibt genügend Leute, die nicht nur das billige Stadionspektakel mit Bierplörre und Rassismus-Gegröle leid sind, sondern die endlich einmal guten und modernen Fußball in Hamburg sehen wollen. Das Gleiche gilt für Sponsoren und Investoren aus Hamburg. Auch die würden sich engagieren, was sie bei der Geldvernichtungsmaschine HSV mit Sicherheit nie mehr tun werden. 

All diese Dinge sind mit dem Hamburger Sport Verein nicht möglich und werden nie mehr möglich sein, der HSV wird immer der HSV sein und diese Tatsache wird dem Verein immer im Weg stehen. Man kann seine Vergangenheit und all die zahllosen Fehler, Skandale und Verlierer nun mal nicht einfach löschen oder ersetzen, bei der erstbesten Gelegenheit fliegen dem Verein die eigenen Geschichten wieder um die Ohren. Denkt mal drüber nach.  Beweisführung? Man hat zigmal den Trainer, Dutzende Male den Sportchef, jedes Jahr 50% der Mannschaft getauscht? Man hatte Finanzexperten, Sportexperten, Wirtschaftsprüfer, Anwälte, Versicherungsangestellte, Schauspieler, Medizin-Professoren und Cola-Importeure im Aufsichtsrat. Man hat es ohne Kühne, mit Kühne und wieder ohne Kühne versucht. Man hat „Hamburg, meine Perle“ auf die Müllhalde der Geschichte verfrachtet, Pape ins Heim geschickt und die Uhr abgebaut. Was hat sich am Verein selbst geändert? Nichts. Noch immer halt dieser Scheiß-Spruch „Nur der HSV“ durch das sanierungsbedürftige Stadion, was irgendwie signalisieren soll oder signalisiert, dass dieser Verein über allen anderen Vereinen steht und besser als alles andere sein soll, der Treppenwitz des Jahrhunderts. Man kriegt den HSV nicht aus dem HSV und was einige supercool finden, ist die Wurzel allen Übels.