++++Sondersendung++++

Worum geht es heute eigentlich? Ich meine diese Frage grundsätzlich, sie ist bezogen auf nahezu alle Bereiche des Lebens und besonders auf die mediale oder in sozialen Netzwerken verbreitete Berichterstattung über diese Bereiche. Politik, Sport, Gesellschaft, Gesundheit etc.  Worum geht es? Geht es um Wahrheit? Geht es um Aufrichtigkeit? Geht es gar um Haltung? Mitnichten, es geht darum, das zu verbreiten, von dem sich der Verbreiter den größtmöglichen „Gewinn“ erhofft. Gewinn kann in diesem Zusammenhang eine unterschiedliche Bedeutung haben, für den Einen ist es der Beifall der Masse, für den Anderen sind es Klicks und (Werbe)-Geld. Will man heute, und offenbar wollen dies fast alle, den größtmöglichen Beifall und eine Rekordzahl an Klicks und Schulterklopf-Kommentaren abgreifen, muss man sich darüber im Klaren sein, welche Meinung am konsensfähigsten ist. Dann, und nur dann wird man im Sinne des „Gewinns“ erfolgreich sein, ob diese publizierte Meinung dann der Wahrheit überhaupt nur nahekommt oder diese eventuell sogar konterkariert, spielt eine untergeordnete Rolle. Erlaubt ist, was beliebt ist und was beklatscht wird. 

Ich nenne diese Art von Publizisten „Wellenreiter“, denn wie die Jungs und Mädels in meiner künftigen Heimat auf den Kunststoffbrettern reiten sie auf den jeweils schönsten und beliebsten Wellen. Ihnen ist nicht nur egal, wie die Realität tatsächlich aussieht, in vielen Fälle ignorieren sie sogar die Fakten und Tatsachen und verdrehen selbige, nur um am Ende ein Produkt liefern zu können, welches von einer hohen Prozentzahl der Konsumenten gemocht und gefeiert wird. Und nein, Haltung möchte sich heutzutage niemand mehr leisten, Haltung nervt. Die Mehrheitsmeinung rules und nur damit kann man punkten, so schlimm das auch sein mag. Das Problem der „Wellenreiter“ ist nur, dass sie nicht merken, dass sie gelenkt werden und nicht mehr selbst am Steuer sitzen. Sie machen sich zu Sklaven der öffentlichen Mehrheitsmeinung, ab einem bestimmten Zeitpunkt werden sie zu ausschließlichen Auftragsschreibern. 

Ein „schönes“ Beispiel für die Existenz der „Wellenreiter“ ist in diesem Tagen der Fall Jatta/Daffeh. Die Hamburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den Mann, weil die Beweise/Indizien, die ihr vorliegt, diese Anklageerhebung offenbar nicht nur rechtfertigt, sondern unumgänglich macht. Ich habe dazu vor einigen Tage einen Kommentar bei Facebook geschrieben. 

Ich möchte an dieser Stelle doch noch einmal ein paar abschließende Sätze zum Fall Jatta/Daffeh verlieren. Die üblichen Opfer können sich ihre Statements sparen, sie werden unmittelbar gelöscht. Also….
 
Die Staatsanwalt erhebt Anklage gegen den Spieler Bakery Jatta/Daffeh vom Hamburger Sport Verein. Dazu ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, wenn sich aus ihrer Sicht genügend stichhaltige Beweise ergeben. Die Staatsanwaltschaft kann eben nicht ein Verfahren verhindern, nur weil der Mann zufällig beim HSV spielt. Weiter…
Sollten sich diese „Beweise“ in einem Verfahren als wahr erweisen oder sollte Jatta/Daffeh geständig sein, so muss der Mann nach deutschem Recht verurteilt werden. Auch hierbei darf sein Status als Berufsfußballer beim HSV keine Rolle spielen. Sollten sich die Indizen nicht bewahrheiten oder sollte seine vermeindliche Schuld nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, gehört er nach deutschem Recht freigesprochen und das Verfahren endgültig geschlossen.
 
Aber bitte noch einmal zu Herrn Jatta/Daffeh und zu den heute veröffentlichten Vorwürfen. Jatta/Daffeh wird nicht nur vorgeworfen, bei seiner Altersangabe und seinem Namen gelogen (und zwar mehrfach) zu haben, sondern man wirft ihm außerdem vor, nicht etwa der arme fußballfremde Flüchtling, sondern ein ehemaliger Profifußballer aus Afrika zu sein, der auf seinem Heimat-Kontinent bei mehreren Vereinen unter Vertrag gewesen ist, was, wenn es sich denn bewahrheitet, seine gesamte Geschichte ad absurdum führen würde. Er wäre dann nämlich nicht mehr der mittellose Flüchtling ohne jegliche sportliche Ausbildung, sondern ein ausgebildeter Profi-Fußballer, der nach Europa gekommen war, um einen besseren Vertrag abzugreifen.
 
Zum (lächerlichen) Argument, man sollte das Thema doch endlich beerdigen, weil Jatta/Daffeh durch die Ermittlungen der letzten beiden Jahre „genug gelitten“ hätte. Wo genau hat der Mann denn bitte gelitten? Er hatte, sollte sich seine Geschichte als Lüge entpuppen, mehrfach die Chance, die Wahrheit zu sagen, er hat es nicht gemacht. Und dabei ist er zu einem reichen Mann geworden, also genau das, wofür er ursprünglich einmal gekommen war.
 
Zum Schluss noch etwas. Wie kann es sein, dass es tatsächlich Menschen gibt, die für Herrn Jatta/Daffeh eine andere juristische Behandlung fordern als für Ali vom Gemüsestand oder Costas vom griechischen Restaurant? Weil er schwarz ist? Weil er beim HSV spielt? Mit Sicherheit nicht, das Gesetz sollte für alle gleich ausgelegt sein.
 
Dies ist meine Meinung und ich weiß, dass sie in großen Teilen der Fan-Gemeinschaft nicht konsensfähig ist. Ehrlich, das ist mir scheißegal.  Ich bin der Meinung, dass man es gar nicht anders sehen kann, aber die Meinung habe ich größtenteils exklusiv. Denn die Meinung, mit der man zur Zeit punkten kann, ist eine andere.  Man solle den Mann doch in Ruhe lassen, FreeJatta, er hat doch immer brav seine Steuern bezahlt, ist super-integriert und sowieso ein unfassbar netter Typ. Das mag alles sein, spielt aber für den Fall selbst keine Rolle. Das wissen die Verbreiter dieser Parolen auch, es hält sie trotzdem nicht davon ab, mit ihrem scheinheiligen Gutmenschen-Getue Punkte zu sammeln. Nach meinem Dafürhalten ist diese beißreflexartige und durchsichtige Verteidigungs-Argumentation an Scheinheiligkeit nicht zu übertreffen, zumal die Verbreiter dieses Mumpitz auch ohne Probleme die Pferde im Galopp wechseln werden, wenn sie merken, dass sich der Wind dreht. Sorry, dann lieber ein Shitstorm durch ein paar dünn-angerührte Insassen, aber dafür Haltung bewahrt. Ich habe absolut keine Ahnung, wie der Großteil der Auftragsschreiber morgens noch in den Spiegel gucken kann. 
 
P.S. Der HSV selbst hat außer einem dusseligen Foto und der Ergänzung „Statement genug“ bisher überhaupt keine Stellung bezogen.