Eines ist so sicher wie die 5. Zweitliga-Saison eines Vereins, dessen erstmaliger Abstieg ins Unterhaus eigentlich nicht mehr als eine Art Betriebsunfall gewesen sein sollte – Tim Walter wird gehen. Vielleicht geht er nicht nach dem nächsten Spiel, vielleicht geht er auch nicht nach einer Niederlage im Pokal-Halbfinale gegen Freiburg und vielleicht geht er noch nicht einmal nach dem erneut enttäuschenden Saisonende, aber er wird gehen. Eine zweite Saison mit diesem eindimensionalen Einbahnstraßen-Fußball kann und wird sich der Aufsichtsrat, ach was rede ich, wird sich Klaus-Michael Kühne nicht noch einmal angucken. Und an dieser Stelle beginnt das Dilemma für den KSV. Lässt man die Dauerversager Boldt und Mutzel und den selbstverliebten Walter auch noch die nächste Saison planen und vorbereiten, so verschließt man automatisch die Tür für einen erfolgreichen neuen Coach. Im Grunde hat man das bereits getan, denn man hat die Herren bereits die ersten Wahnsinns-Verlängerungen machen lassen. Einen Vuskovic hatte man eine zweite Saison als Leihspieler sicher inkl. einer Kaufoption zu einem festgelegten Tarif. Warum musste man also jetzt all-in gehen? Einen Backup Muheim kauft man für € 1,5 Mio., 80% der anderen Linksverteidiger der zweiten Liga sind besser, aber keiner ist teurer. Man verlängert mit einem Rohr und erklärt im Nachklang allen Ernstes, dass bei diesem 26-jährigen Teilzeit-Profi die Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist? Hallo? 

Man könnte endlos so weitermachen, aber die Fälle sind hinlänglich bekannt. Und sie alle sind eben einer der Hauptgründe dafür, dass man dem Klub und seinen Würdenträgern das Gefasel von der Entwicklung nicht abkauft. „Wir sind nur noch ein normaler Zweitligst“ murmelte Murmelkönig Mutzel in die Mikrophone und eben das ist ausgemachter Mumpitz. Normale Zweitligisten sind St. Pauli, Darmstadt, Heidenheim, Paderborn, Karlsruhe oder Sandhausen, nur arbeiten die mit einem Drittel des KSV-Etats und einem Drittel der Belegschaft. Die kaufen auch nicht Linksverteidiger Backups für € 1,5 Mio. oder fragen bei Bayern, PSG oder Arsenal nach. Die holen ablösefreie Spieler und scouten in Verl, Unterhaching oder Osnabrück. Solange die Herren aus der Vorstandsetage oder aus den Direktoriums-Büros aber immer noch so tun, als würden sie einen Geldscheißer im Hinterhof haben, können sie sich die Märchen sparen. Diese Legenden dienen zu nichts anderem als zur Absicherung der eigenen Jobs im Falle des Mißerfolgs. Wenn man jetzt bereits wieder liest, dass man nach den Amaechi und Doyle-Erfahrungen immer noch über einen Jimmy Summerville nachdenkt, der seit 2 Jahren kaum gespielt hat, dann muss man eigentlich nicht mehr wissen. Es wäre so, als würde Borussia Dortmund mit dem zweithöchsten Etat der Bundesliga erklären, man peilt einen Platz im gesicherten Mittelfeld an. 

Dabei wäre ein Weg der zeitweiligen Mittelmäßigkeit dem entwöhnten Hamburger Publikum durchaus zu verkaufen, wenn man ihn den tatsächlich einschlagen würde. Wenn man eben mit einem durchschnittlichen Etat, einem durchschnittlichen personellen Beritt und einer tatsächlich überdurchschnittlich jungen Mannschaft an den Start gehen würde. Tut man aber nicht, man predigt Wasser und säuft Champagner. Man verkauft sein eigenes Publikum für blöd und wundert sich dann, wenn es nicht mehr bereit ist, den nicht vorhandenen Weg mitzugehen (siehe Zuschauerzahlen). Und natürlich kommen jetzt die üblichen Verdächtigen aka Hofberichterstatter aus ihren Verstecken gekrochen und aktivieren die sogenannten „Mechanismen des Marktes“. Denn wie herrlich einfach ist es auch, die sogenannten Analysen erst dann in Kraft setzen zu müssen, wenn das Kind kopfüber im Brunnen treibt. Jetzt plötzlich hört man nicht zaghafte, sondern deutliche Zweifel an Trainer und sportlicher Führung, nachdem man 29 Spieltage seinen Lesern erfolgreich das vorgesetzt hatte, was diese konsumieren wollten, was aber zu keinem Zeitpunkt der Realität entsprach. Jetzt plötzlich wird die nicht vorhandene Entwicklung durchschaut, jetzt plötzlich erkennt man, dass es einen Plan B nie gab und nie geben wird, weil Walter ebenso in seinem von ihm erdachten System gefangen ist wie es Christian „Big“ Titz vor ihm war. Jetzt auf einmal werden Geschichten bekannt, nach denen Walter die Kabine verloren hatte, weil seine Spieler nicht (mehr) an einen Erfolg seiner Taktik glauben wollten.  Ich kann sogar schon die Schlagzeilen lesen, die „am Tag danach“ erscheinen werden, denn sie sind längst geschrieben.

Judas Boldt: „Wir hatten uns erhofft, dass er (Tim Walter) mehr auf die jeweilge Situation reagiert.“

MOPO: „Walter ist an sich selbst gescheitert“

BILD: „Am Ende glaubten die Bosse nicht mehr an ihn“

Abendblatt: „Was wäre möglich gewesen, hätte man diese Entscheidung früher getroffen“

Mutzel: „Leider war das Glück nicht auf seiner Seite, der Weg ist aber der richtige“

Münchhausen: „Walter war zu keinem Zeitpunkt der richtige Trainer, ich hatte es von Anfang an geschrieben“

Marcell Jansen: „Wer ist dieser Walter, ich habe nichts mitbekommen, ich musste meinen Klötenlack verkaufen“

Ich habe es schon so oft geschrieben, aber ich schreibe es gern nochmal: Diese Unehrlichkeit, diese Unaufrichtigkeit, diese Heuchelei und dieser chronische Hang zur Selbstoptimierung sind einer der Hauptgründe dafür, dass dieser Verein in sich und seinen Strukuren festhängt. Man sagt A und lebt B. Man versucht seine Kunden aka Mitgliedern aka Fans zu verarschen, indem man ihnen Märchen auftischt, die binnen Sekunden in sich zusammenfallen. Einmal offenes Visier. Einmal das machen, was man vorher angekündigt hatte. Einmal zu dem stehen, was man sagt. Und die ausgehungerten Fans würden jeden noch so dornigen Weg mitgehen. Diesen jedoch nicht (mehr), wie man sieht. 

P.S. Ich muss jetzt Schluß machen und mich ins Outback flüchten. Ich habe gehört, dass der kleine Kotzminus und seine Schergen eine Invasion Australiens planen, um meine Sünden zu bestrafen und mich den reinigenden Flammen zu übergeben. Ich fieser Sünder, ich 😀 😀