Bei einem Zeitunterschied von z. Zt. 8 Stunden könnt ihr euch sicherlich vorstellen, dass es nicht ganz einfach ist, Kontakt nach Deutschland zu halten. Wenn ihr im Moment einen Blog zur gewohnten Stunde um 07.30 Uhr lest, dann ist es ist hier halb vier Nachmittags und als jemand, der mitten im Australischen Busch lebt und auf Satelliten-Internet angewiesen ist, bin ich in meinen direkten Kontaktmöglichkeiten durchaus eingeschränkt. Was jedoch ohne große Komplikationen geht, ist WhatsApp und so schickt man sich halt Nachrichten, Fotos oder Voice-Nachrichten zu und mit eben solchen Voice-Nachrichten entwickelte sich vorgestern eine Art „Diskussion“ mit einem Freund, der mich über die letzten 8 KSV-Jahre begleitete. Natürlich kann ich diese Nachrichten hier nicht veröffentlichen, aber ich kann euch verraten, dass uns Beiden zeitgleich die Tränen vor Lachen über die Gesichter liefen, ihm in Deutschland mitten in der Nacht, mir in Victoria am frühen morgen. Inhalt dieses etwas ungewöhnlichen Gesprächs waren die gemeinsamen Erfahrungen mit dem Verein aus eben dieser Zeit, die Erinnerungen an Ereignisse und gemeinsame Gespräche mit damals Verantwortlichen und diese Gespräche waren dabei teilweise derart skurril, dass man heute noch zusammenbricht, wenn man daran denkt. 

Da waren Gespräche mit einem Mitglied des damaligen Aufsichtsrats in einer zum Büro umfunktionierte Dreizimmer-Wohnung, wobei ich im Laufe des Gesprächs in Gefahr geriet, mich mit einer Art Dattel-Cola zu vergiften. Mit dem gleichen, sehr netten und intelligenten Herren, waren wir einige Monate später noch Shisha rauchen. Ein anderes Gespräch fand bei einem Italiener am Großneumarkt statt, in dessen Verlauf sich der damalige Aufsichtsratsvorsitzende eben nicht als der zynische und harte Macker offenbarte, sondern als selbstzweifelnder Hasenfuß. Die HSVPLUS-Siegesfeier bei einem Nobel-Italiener in Ottensen, konspirative Gespräche in einer bekannten Hamburger Werbeagentur, Termine im Vorstandsbüro des Vereins, Meetings in Bernd Hoffmanns Teeküche, die Liste ist unendlich. Es waren einfach geile Zeiten, man hat viel geflucht, aber noch mehr gelacht, man war mittendrin statt nur dabei und vor allem dachten wir zwei Dinge: 1. Dass es immer so weitergeht und 2. Dass der Verein von einer Herden von Volltrotteln regiert werde. Wir hatten uns getäuscht. 

Denn erinnern wir uns zurück. Die damaligen Aufsichtsräte hießen Ertel, Erhardt, Hunke, Floberg, Scheel, Eghbal (heute Eckball) u.s.w. Es waren, aus unserer damaligen Sicht, absolute Amateure, die aus den unterschiedlichsten Gründen ein Amt beim Verein anstrebten, die in dem Gremium aber bereits zum damaligen Zeitpunkt eine bestimmte Funktion erfüllen sollten: Sie sollten die Arbeit des Vorstandes, den sie zu bestellen und zu kontrollieren hatten, überwachen und den Verein absichern. Ein jeder erinnert sich mit Sicherheit noch an die zahllosen Maulwurfs-Geschichten, bei denen sich jeder fragte, wer denn nun eigentlich die Ratte wäre, die direkt aus dem Kontrollgremium an die Presse durchstecken würde. Tatsache war, dass es kaum ein Mitglied des Aufsichtsrats gab, welches die Kriterien für den unterirdischen Wühler nicht erfüllte. Wie gesagt, das waren noch Zeiten und wir dachten, schlimmer könnte es nicht werden. 

2014, HSVPLUS, Ausgliederung. Nicht nur die Aussicht auf sogenannte „strategische Partner“ sollte Hoffnung machen, sondern auch der Umstand, dass die Amateure im „Rat der Ahnungslosen“ durch Profis im neuen AG-Aufsichtsrat ersetzt werden sollten. Gernandt, Becken, Bönte, Goedhart, von Heesen, Nogly. Ehemalige 83er-Größen, gepaart mit Wirtschaftsexperten und Medien-Spezialisten übernahmen die Kontrolle eines Vorstandes, der von einem Düdü Beiersdorfer angeführt wurde. Später kam dann Angrybird Bruchlandung und die Hoffnung auf eine bessere Zeit löste sich in Wohlgefallen auf. Trotz zig-Millionen von Kühne, trotz all dieser Expertisen, der Weg des KSV führte weiter bergab, mit dem einen Unterschied, dass sich die Geschwindigkeit erhöhte. In Zeiten, in denen der Fußball weltweit einen Boom erlebte, wo TV-Gelder und Ablösesummen teils perverse Größenordnungen erreichten, gelangt es einem Verein, dessen Kontrollgremium aus nichts als Experten bestand, seine Mannschaft systematisch abzuwracken, den Kaderwert zu reduzieren und den Verein in eine ausweglose Verschuldung zu treiben. Wie gesagt: Trotz, oder vielleicht gerade wegen Kühne. Der vorläufige „Höhepunkt“ war dann der erstmaligen Abstieg des Dinos aus der Bundesliga. 

2022. Jansen, , Dr. Andreas C. Peters (Stellvertretender Vorsitzender), Markus Frömming, Michael Papenfuß, Dr. Hans-Walter Peters, Lena Schrum. Die Personen hinter den Namen kennt im Grunde keine Sau mehr, wichtig ist nur, dass wirklich jeder in irgendeiner Beziehung zu Klaus-Michael Kühne steht. Entweder hat man gemeinsame geschäftliche Interessen oder man ist vom „Gönner“ entweder geduldet oder gewünscht. Eines nur tut dieser Rat nicht, etwas, was man seinen Vorgängern ebenfalls zum Teil anlasten kann und muss: Er kontrolliert nicht. Gab es früher innerhalb des Kontrollgremiums noch unterschiedliche Meinungen, ist heute alles Kühne-weichgespült. Was der alte Mann aus Schindeleggi will, das passiert. Sollte Klau-Mi eines Nachts aufwachen und merken, dass er auf Boldt keinen Bock mehr hat, kann man sicher sein, dass der Heimschläfer spätestens eine Woche später Geschichte ist. Mit Kontrolle und Führung hat das alles natürlich nicht im Mindesten etwas zu tun, aber während früher die Mitglieder des Aufsichtsrats von den Mitgliedern gewählt werden mussten, kann man sich im Jahr 2022 nicht nur einen Sitz im AR durch den Erwerb von AG-Anteilen kaufen, man kann sogar in den Vorstand aufrücken und berühmt werden, wenn man etwas hat, was dem Logistiker in seinem Portfolio noch fehlt. Das i-Tüpfelchen bzw. die ranzige Sahne auf der Torte ist natürlich ein Vorsitzender Präsident Pinselreiniger, der außen dummes Zeug zu labern wirklich gar nichts kann. Als selbsternannte „Speaker“ muss der Eiercremer seine MV-Rede vom Zettel ablesen, es ist zum Niederknien. 

Und wir hatten gedacht, nach Manfred Ertel oder Meier ohne Eier könnte es nicht mehr schlimmer kommen 😀 Was haben wir nun aus dieser kleinen Zeitreise gelernt. Zuerst einmal, dass es definitiv nicht besser, sondern schlimmer geworden ist. Gab es früher noch so etwas wie Mitbestimmung, so findet man heute eine Nord Korea anmutende Sekte aus Hohllemmingen und Selbstoptimieren vor. Was man ebenfalls lernen kann: Früher gab es zumindest noch etwas zu lachen, heute ist dieser Verein nur noch zum weinen. Was man erkennt, wenn man nicht komplett blind ist – das Problem des Vereins beginnt oben, beginnt beim Aufsichtsrat. Er findet und ernennt den Vorstand, er beurteilt die Arbeit des Vorstandes, er zieht notfalls die Konsequenzen aus jahrelangem Versagen. Jedenfalls wäre dies bei einem echten Aufsichtsrat der Fall, im Volkspark sieht das natürlich gänzlich anders aus. 

Aber, hey, was haben wir vorgestern gelacht 😀 😀