Kommentar

Am Mittwoch findet nun also in der Volksparkruine die Trauerfeier für den kürzlich verstorbenen Uwe Seeler statt und ich frage mich unmittelbar, wie eine solche Tränenparty mit den Werten und Vorstellungen eines Menschen in Einklang zu bringen ist, der fernab jeglichen Trubels vor einigen Tagen still und seiner Natur entsprechend im engsten Familienkreis in Ohlsdorf seine letzte Ruhe fand. Der Uwe Seeler, den ich in meinen nun knapp 58 Jahren erlebt habe, hätte aufgrund dieses Spektakels nur den Kopf geschüttelt und gesagt: „Nun macht mal halblang, Leute“. Aber natürlich geht es, wie alles bei diesem Verein, nicht um die betreffende Person, sondern um die Personen, die betroffen sind und diese wollen jedes noch so traurige Ereignis für ihre Zwecke nutzen. Und so wird aus der Trauerfeier für den bedeutensten HSVer (in Seelers Fall schreibe ich aus Respekt HSV) ein Aufmarsch, der vor allem anderen der Welt die Großartigkeit des Vereins, der unfassbare Zusammenhalt der Anhängerschaft und die unzertrennlichen Bande zwischen Klub und der Stadt Hamburg demonstieren soll. Ich finde dies im Sinne des Mannes schändlich, aber das ist nur meine Meinung. 

Es sind vier Trauerreden vorgesehen: Sprechen werden Hamburgs Bürgermeister Tschentscher (SPD), Bernd Neuendorf (Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), KSV-Vorstandsmitglied Jonas Boldt und Schauspieler Olli Dietrich als Freund der Familie Seeler. 

Mein erster Gedanke, als ich diese Nachricht heute morgen las: Echt jetzt? Drei Politiker und ein Blödel-Schauspieler? Das ist das, was für Uwe Seeler steht? Ein Karriere-Politiker, der erneut maximal im Fokus der Ermittlungsbehörden und unter Verdacht steht, übelst Einfluß auf eine Steuerhinterziehung in Millionenhöhe genommen zu haben? Der Präsident eines Verbands, der in den letzten Jahren für wirklich alles stand, aber ganz sicher nicht für das, was Uwe Seeler zu Lebzeiten ausgemacht hat? Ein Blödel-Schauspieler im Morgenmantel? Und Boldt? Echt jetzt?  Ein Sport-Politiker, der wie kein Zweiter für „Werte“ wie Intrige, Mobbing, berufliche Minusleistung, Football Leaks und Selbstoptimierung steht. Natürlich beeilt sich sein temporärer Kooperationspartner BILD, umgehend die Bedeutung dessen herauszustellen.

Eine große Ehre wird dabei Jonas Boldt (40) zuteil. Die Seelers wünschten sich den HSV-Sportvorstand als Einzigen für die Trauerrede vonseiten Uwes Lieblingsklubs. 

Dabei geht es gar nicht einmal um die Personen selbst, sondern um das, wofür sie stehen? Es geht um Symbolik und das, was hier übermittelt wird, ist traurig und tragisch. Kein ehemaliger Weggefährte? Kein ehemaliger Mitspieler? Kein Sport, sondern nur Entertainment und Politik? Das soll von Uwe Seeler im Gedächtnis bleiben? Für mich ist die Rednerliste nicht vollständig, man hätte noch Dieter Bohlen, Lotto King Karl und den Sievi einladen müssen, erst dann wäre es eine runde Sache geworden. Wenn es jetzt trauernde Mitglieder gibt, die öffentlich meinen „Ja, wer hätte es denn sonst machen sollen?„, zeigt dies auf erschütternde Art und Weise den IST-Zustand des Vereins, denn etwas Besseres als Judas Boldt hat man für einen solchen Anlass nicht mehr zu bieten? Der Umstand, dass der Präsident des Vereins!!! (nicht der AG) in diesem Szenario offenbar überhaupt keine Rolle spielt bzw. nicht spielen möchte, spricht ebenfalls Bände. Wo wir aber schon bei Dingen wie Symbolik und Zeichen sind, die ausgesandt werden…

Das, was zur Zeit in Hamburg medial passiert, ist ebenso symbolhaft wie vorhersehbar und ich erinnere mich an meinen gestrigen Blog, der von der Kurzfristigkeit handelte. Denn inzwischen wird mehr und mehr deutlich, durch Artikel in der BILD, im Abendblatt und auch beim NDR, wohin der Wind wehen soll, er soll sich gegen Wüstefeld und für Boldt drehen und wenden! Es ist richtig, dass sich Thomas Wüstefeld hochgradig ungeschickt anstellt, bei dem, was er tut, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass das, was er vorhat, für die Existenz des Vereins unabdingbar ist. Die Medien wissen dies, ignorieren es aber. Warum? Weil sie wollen, dass es immer so weitergeht. Sie wollen Schlagzeilen, sie wollen Gerüchte, sie wollen Transfers und Sensationen und dafür steht Boldt. Wüstefeld steht für Sparkurs und Stadionsanierung, aber das ist nicht sexy, das macht keinen Spaß. Die Tatsache, dass absolut jeder Mensch Judas Boldt für ein ekelhaftes Arschloch hält, spielt dabei keine Rolle, er bedient das, was die Medien und die Massen wünschen. Sparen und Sanieren ist unbeliebt, damit macht man sich keine Freunde. Warum wurde Trump in den USA von zahlreichen Medien gehypt? Weil er für Spektakel steht und über Spektakel kann man großartige Geschichten schreiben. Über Bidens stille Politik kann man nur im Flüsterton berichten, das schockt nicht. 

Und nur darum geht es. Machen sie es gut, Herr Seeler, mir tut es leid, wie mit ihrem Erbe und ihren Werten umgegangen wird.