Meinung

Ehrlich, ich war wirklich gespannt, wie viele der echten, der wahren KSV-Fans sich am Mittwoch aufmachen würden in Richtung Volkspark, um dem größten HSVer aller Zeiten die letzte Ehre zu erweisen. 30.000? 40.000? Würde die Volksparkruine vielleicht sogar bis auf den letzten Platz besetzt sein, um Herrn Seeler zu gedenken, der es mehr als jeder andere verdient gehabt hätte. Vorausgegangen waren die üblichen KSV-Großankündigungen, Live-Übertragungen und Streams auf allen Kanälen. Und dann lese ich heute morgen nach dem Aufstehen die Zahl 4.000. Im Ernst jetzt? Ganze 4.000 der besten Fans des Planeten fanden es wichtig, dort zu erscheinen? Bei jedem Pokalspiel gegen einen Drittligisten kommen mehr in zu enge rosa Trikots gepresste Fackelträger als zu diesem Anlass? Bei jeder Beerdigung eines Abteilungsleiters der Hells Angels sieht man mehr Harleys als Teilnehmer am Mittwoch um 14 Uhr nahe der Müllverbrennungsanlage. Und klar, die Entschuldigungen sind schnell gefunden. Wochentag. Tageszeit. Ferienzeit. Bla bla bla. Es gibt doch angeblich so viele dieser sogenannten „Fans“, die sich bei jeder Gelegenheit Urlaub nehmen, um zu einem noch so unwichtigen Auswärtsspiel zu reisen, warum dann nicht für den letzten Gang dessen, den sie alle ungefragt „Uwe“ nennen möchten, obwohl sie dem Mann nie begegnet sind und ihnen das Du garantiert nicht angeboten wurde. 

Die Wahrheit ist: Es war nicht geboten, bei dieser Veranstaltung irgendwelche Schmähplakate aufzuhängen, Pyros zu verbrennen oder Werder Bremen zu dissen und was soll man dann da? Die sogenannten Ultras sind mitnichten Fans dieses Vereins, sie sind Fans der eigenen Selbstinszenierung und wenn die untersagt ist, bleibt man halt weg. Das Gleiche gilt für die Herde der SKY-Fans und „Blogfreunde“, von denen die Meisten das letzte KSV-Live-Spiel vor Ort gesehen haben, als Helmut Kohl noch Kanzler war. Aber wie viel leichter ist es, daheim in der Sozialwohnung vor dem ALDI-Laptop die Fresse aufzureißen und andere darüber zu belehren, was man als vermeintlicher KSV-Fan zu denken, sagen und schreiben hat? Keine dieser nutzlosen Kreaturen, die sich während der Zeremonie in tränenerstickten Posts ergossen haben, während neben ihnen auf dem IKEA-Schreibtisch die halbleere Flasche Mariacron stand, hat auch nur eine Sekunde lang einen Gedanken daran verschwendet, „Uwe“ zu gedenken, jedenfalls nicht im Stadion. Aber sie alle wissen, was das Beste für den Verein ist und welch ein Segen doch Heimschläfer Judas Bild für diesen Verein ist. Ne, ist richtig, ihr Opfer.

Der KSV und ganz besonders seine Möchtegern-Fans haben sich am Mittwoch bis auf die Knochen blamiert, sie haben durch ihre überragende Abwesenheit sowohl die Werte wie auch sein Vermächtnis geschändet, aber die Hoffnung, dass dieser Abschaum sich dafür schämt, ist vergebens. Der KSV hat sich an diesem Mittwoch wieder einmal als der Verein gezeigt, der er ist. Ein einziges großes Blendwerk, ein Täuschkörper aus einer anderen Zeit, überholt und bereit für den Abdecker.