Im Grunde ist es egal, um welches Thema es geht, äußert man sich öffentlich und entspricht nicht dem Mainstream, bricht die Idiotenhölle los. Dabei ist es vollkommen egal, ob es nun ums Gendern geht, ob man sich weiterhin Winnetou-Filme angucken will, ob man der Meinung ist, man sollte sich gegen Covid-19 impfen lassen oder ob man den KSV so begleitet, wie es deutlich mehr Leute tun sollten – sobald man seine Meinung öffentlich macht, wird man von mindestens einer Seite niedergebrüllt. Einige versuchen ihre sogenannte „Kritik“ in hübsche, pseudo-wissenschaftliche Worte zu kleiden, andere pöbeln einfach drauflos, völlig egal, ob sie den Ansatz überhaupt verstanden haben oder nicht. Besonders Extreme, und dabei geht es nicht nur um Themen wie Impfung oder Ukraine, drohen sogar mit Gewalt und Mordphantasien, ist mir auch schon passiert. Letztes Beispiel: Der Tod der Queen. Natürlich muss man kein Fan einer Monarchie sein und natürlich kann man sich überaus kritisch mit dem britischen (nicht nur dem übrigens) Kolonialismus auseinandersetzen, aber muss man dann, vorzugsweise via Pöbel-Medium Nr. 1 Twitter notgedrungen proklamieren, dass man der alten Frau keine Träne hinterhertrauert und noch weitaus Schlimmeres? Muss das wirklich sein oder kann man nicht einfach mal den Kopf zu machen und schweigen? 

Passend: 

Der durch die Analyse von Schiedsrichter-Entscheidungen bekanntgewordene Account „Collinas Erben“ hat sich wegen massiver Anfeindungen von Twitter zurückgezogen. „Wir sind so etwas durchaus gewöhnt, Fußball ist emotional, sowas muss man aushalten. Aber was gestern war mit über 200 Beleidigungen, Schmähungen, Herabwürdigungen – da muss man sich selbst schützen“, sagte Mitbegründer Alex Feuerherdt am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Mittlerweile ist das Twitter-Konto offline.

Recht deutlich wurde Schiedrichter Patrick Ittrich, der sich via Twitter deutlich zum Rückzug äußerte: „Collinas Erben leisten seit langer Zeit wertvolle Arbeit. Jeder Fan sollte dankbar sein. Stattdessen Shitstorm! Auf welcher Basis nehmt ihr euch das Recht heraus, so mit Menschen umzugehen? Stadion oder Internet, wie wenig reflektiert kann man sein? Euer Fan-Status rechtfertig nix!“ (Kicker)

Mal angenommen, ich (oder jemand anderes) schreibt morgen, wie komplett belämmert er dieses erzwungene Gendern findet. Der Himmel würde einstürzen, weil sich ein bestimmter Prozentsatz der sozialmedialen Bevölkerung bemüßigt fühlen würde, mir (oder jemand anderem) Rückwärtsgewandtheit, Rückständigkeit, fehlende Empathie und Ähnliches unterstellen zu müssen, außerdem ist man ohnehin nur wahlweise Boomer oder ein alter weißer Mann, der nichts begriffen hat. Wir befinden uns schon längst nicht in der Welt der Klugscheißer, wir befinden uns in einer Welt der Andere-Meinungen-Niederkreischer. Dabei geht es den Verbal-Attentätern gar nicht mal darum, meine Ansichten als falsch zu enttarnen oder mich vom Gegenteil zu überzeugen, es geht darum, möglichst viele Likes und Beifall abzugreifen, dann erst fühlt man sich wertgeschätzt. Der Weg und die angewandten Mittel dorthin spielen schon längst keine Rolle mehr, der Pöbler will gemocht werden und je lauter er brüllt, desto mehr Beifall bekommt er. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem man sich am Besten dafür entschuldigen sollte, dass man älter als 50 und als Kind weißer Eltern in einem westlichen Industrieland geboren ist. Das werde ich nicht tun, warum sollte ich auch. Ich kann schließlich nichts dafür, aber ich fühle mich aufgrund meiner Herkunft und meiner Hautfarbe auch nicht besser als Mutumbo aus Nigeria, Xi Mai aus China oder Rodriguez aus Venezuela. Aber eben auch nicht schlechter.

 

 

Nehmen wir das unsägliche Beispiel Daffeh. Als die SportBILD mit dem Thema aufmachte, sah sie sich einem Shitstorm ungeahnter Größe ausgesetzt und der KSV in Person einiger Verantwortlicher boykottierten die Verleihung einer Auszeichnung, die von dem Blatt verliehen wird. Ich habe damals sehr frühzeitig Stellung bezogen und habe mich dafür eingesetzt, den Fall bis zur endgültigen Aufklärung zu bearbeiten. Das allein war schon zuviel, ich wurde als AfD-Wähler, Rechtsradikaler, Nazischwein und Drecksrassist bezeichnet und es gab nicht wenige bekannte Persönlichkeiten und auch Journalisten, die die Kollegen von der SportBILD öffentlich ans Kreuz genagelt haben. Dabei ging es weder darum, den Mann auszuweisen oder einzulochen, es ging einzig und allein darum, den Sachverhalt zur Gänze zu klären, u.a. auch deshalb, weil man bei Nichtbeachtung einen Präzedenzfall schaffen würde. Nun, mittlerweile weiß jeder, dass Daffeh beschissen hat und zwar alle und jeden und der einzige Grund, warum er immer noch in seiner teuren Wohnung nahe der Elbe sitzen und über die deutsche Justiz lachen kann, ist der Umstand, dass man es ihm nicht beweisen konnte, dass er mit seiner Identität gelogen hatte, seit er in Deutschland ist. Dass die Angaben, die er über sein Leben zuvor gemacht hat, nichts als Täuschung und Lüge waren, ist inzwischen verbrieft. Er war mitnichten der arme Straßenjunge, der barfuß außerhalb jeglichen Vereinslebens mit einer Coladose gekickt hat. Er ist nicht auf allen Vieren durch die Wüste gekrochen, er ist nicht vor Armut oder Hunger geflogen und er ist nicht im Schlauchboot mit Rettungsweste übers Mittelmeer gerudert. Nichts davon ist wahr, es ist reine Erfindung. Er hat sich als junger Mann in Afrika eine andere Identität zugelegt und an seinem Alter gedreht, um professionell Fußball zu spielen. Sogar für die gambische U20-Nationalmannschaft hat er gekickt, professionelle Fußballer leiden selten an Hunger, selbst in Afrika nicht. 

 

 

Doch – hat auch nur einer derjenigen, die ihm seine Geschichte damals zu 100% abgenommen und jeden Andersdenkenden niedergebrüllt hatten, sich entschuldigt? Natürlich nicht, denn nun wird einfach die Strategie gewechselt. Von „Ich glaube ihm jedes Wort, Baka ist einer von uns, ihr Rassistenschweine“ hinzu „Naja gut, aber er bezahlt ja seine Steuern, also lasst ihn doch in Ruhe“ war nur ein ganz kurzer Schritt, aber was hatte der damalige Shitstorm (und viele andere vor und nach ihm) zufolge? Die Menschen, die sich sachlich und kritisch in der Öffentlichkeit äußern, werden weniger, denn auf öffentliche Pöbelattacken oder gar Morddrohungen haben nur wenige Lust. Es bedeutet aber auch, dass man kritische Meinungen oder Meinungen, die nicht dem Mainstream entsprechen, vorsätzlich unterbinden kann, indem man mit Scheißsturm droht und das wäre mehr als fatal. 

Mir ist das ehrlich gesagt egal, ich gebe einen Scheiß auf die Kalle’s oder Hirnlosen dieser Welt, ich lösche sie ungelesen oder ich verarsche sie, was wirklich nicht schwer ist, denn die Dummheit kann man aus jeder Silbe ablesen. Ich werde auch weiterhin das schreiben, von dem ich meine, dass wenigsten einer es schreiben sollte und wer damit ein Problem hat, muss damit leben. Ich weiß aber auch, dass ich im Namen vieler schreibe, die sich eben nicht (mehr) trauen, unter ihrem realen Namen Zweifel anzumelden oder dem Mainstream zu trotzen. Ich weiß, dass es viele gibt, die mir zustimmen, was den Blog betrifft, die sich aber weder öffentlich dazu bekennen würden, noch würden sie in ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis zugeben, dass sie hier täglich lesen, weil sie selbst dieser Umstand der Gefahr eines internen Shitstorms nahebringen würde. Dann doch lieber leise nicken, vielleicht unter einem anonymen Nickname zustimmen und mich weiterhin die Drecksarbeit machen lassen. 

Gern geschehen. 

Lese-Empfehlung: https://www.journalist.de/suche/meldungen/laeuft-die-durchoekonomisierung-journalistischer-inhalte-heiss

 

Beginnt sich in einer Redaktion alles um die Verkaufbarkeit von Inhalten zu drehen, wird der Datenauswerter zum Dealer. Das darf nicht sein, weil das Ergebnis Abhängige sind – was ungut ist für einen Beruf, in dem Unabhängigkeit das Fundament ist.

Doch ist es noch Journalismus, wenn im Quark gestampft wird, um ja nur die Aufmerksamkeit hochzuhalten? Oder ist das eher das Gegenteil? Und wenn es das Gegenteil ist, was genau ist es dann? 

Wo so gearbeitet und gedacht wird, wird der Leser, der Konsument, der Kunde, am Ende konsequenterweise zum reinen Nutzer. So entsteht auf die Dauer ein technisch-kaltes Klima, in dem die Gefahr wächst, dass journalistische Ethik auf der Strecke bleibt.  So entstehen Überschriften, die versprechen, was die Texte darunter nicht halten können. So unterwirft sich der Journalismus denselben Regeln, die soziale Netzwerke prägen.

Was denkt ein Journalist der Zukunft über das Kernziel seiner Arbeit? Wird es noch „Ich will informieren“ sein oder eher „Ich muss verkaufen“?