Nicht zum ersten mal in meinen mehr als vier Jahrzehnten als Fußball-Interessierter habe ich mir die Frage gestellt, wer denn eigentlich „die Fans“ eines Vereins sind, von denen besonders in den Medien immer als homogene Einheit geschrieben wird und die doch so unterschiedlich geprägt sind. Welche Kriterien muss man als „Fan“ erfüllen, um bei anderen „Fans“ als solcher gelten zu dürften, was muss man für „seinen“ Verein in die Waagschale werfen, um sich „Fan“ schimpfen zu dürften. Gibt es Ausschlußkriterien wie zum Beispiel den Hang, den „eigenen“ Verein durchaus kritisch zu sehen? Tut man dies, darf man sich dann nicht mehr „Fan“ nennen? Oder ist man eigentlich erst dann ein echter „Fan“, wenn man eben nicht alles blind abnickt und per se jede Entscheidung und jede Leistung des Vereins supi endgeil findet, weil man sich halt über die Entwicklung Sorgen macht? Muss man bereit sein, „seinen “ Verein notfalls auch mit körperlicher Gewalt zu verteidigen, ist man erst dann echter „Fan“? 

Der „TV-Zuschauer-Fan“: Er verfolgt den Verein schon seit vielen Jahren und interessiert sich eigentlich für alles, was sportlich beim Klub passiert. Aber er ist kein Stadiongänger, aus vielerlei Gründen. Sei es ihm aufgrund von Entfernungen nicht möglich oder kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Arenen gehen. Möglicherweise möchte er auch nur das Spiel sehen und sich nicht mit langen Einlass-Schlangen oder Brüllorks belasten. Er sitzt zuhause, besitzt ein SKY-Abo und guckt jedes Spiel „seines“ Vereins. Ist er ein echter Fan oder ist er nur Begleiter?

Der „Dauerkarten-Sitzer-Fan“. Er besitzt seit Jahren eine Dauerkarte auf der Ost-Tribüne, im Sommer trägt er auch mal ein mit „Schonlau“ beflocktes Trikot. Er singt die Einlauf-Melodie mit und kennt auch die meisten Spieler „seines“ Teams. Aber ist nicht besonders fanatisch und wenn das Wetter nicht so toll oder der Gegner nicht so attraktiv ist, lässt er auch mal ein Spiel sausen. Er würde nicht im Traum darauf kommen, ein Training im Volkspark zu besuchen und Leute, die dem Verein ins Trainingslager folgen, belächelt er milde. Aber er selbst sieht sich als „Fan“, schließlich bezahlt er mehrere Hundert Euro im Jahr dafür, sich im Winter in der Volksparkruine den Arsch abzufrieren. 

Die Ultras: Sie sind immer da, ob zuhause oder auswärts. Sie zündeln mit Pyros, sie schwenken riesige Fahnen, die zumeist dazu führen, dass sie von dem Spiel „ihres“ Vereins weniger als nichts mitbekommen. Einige, die wichtigsten von ihnen, stehen 90 Minuten mit dem Rücken zum Spielfeld mit einem Mikrophon in der Hand und peitschen die eigenen Leute an, vom Spiel selbst sehen sie so gut wie nichts. Sie hassen per se den FC St. Pauli und noch mehr den SV Werder Bremen, teilweise sind Niederlagen dieser Teams für sie wichtiger als Siege des „eigenen“ Vereins“. Die Ultras halten sich für so wichtig, dass sie meinen, aktiv auf die Vereinspolitik einwirken zu müssen, ihnen ist die eigene Performance tatsächlich wichtiger als die der Mannschaft. 

Die „Ab-und-zu-Fans“: Sie sind grundsätzlich am Verein interessiert, aber nicht allzu enthusiastisch. Sie freuen sich, wenn „ihr“ Verein gewinnt, aber wenn er verliert, geht die Sonne am nächsten Tag auch wieder auf. Sie interessieren sich NULL für Vereinspolitik und kennen auch bei weitem nicht alle Spieler „ihres“ Teams, von den Verantwortlichen ganz zu schweigen. Sie gehen zweimal im Jahr ins Stadion – wenn es passt, wenn der Gegner attraktiv genug ist und wenn nichts anderes anliegt. Dürfen sie sich „Fans“ nennen?

Die „Blog-Begleiter-Fans“: Sie sind die eigentlichen Klugscheißer des Vereins. Sie wissen alles und haben zu allem eine Meinung. Natürlich gehen sie nicht ins Stadion, denn dann könnten sie nicht 90 Minuten lang einen Insolvenzblog mit dümmlichen Kommentaren zuspamen. Sie können eigentlich auch das Spiel selbst nicht sehen können, denn man kann schlecht gleichzeitig ein Match gucken und in einem Blog kommentieren. Das interessiert diese Spezies jedoch nicht, sie meinen, durch ihre Schwachsinns-Kommentare ihr Fachwissen demonstrieren zu können. Fans sind das ganz sicher nicht. 

Also, wie seht ihr das? 😀 😀

Im Ernst, wer sind denn nun die „Fans“? Muss man fanatisch sein? Muss man omnipräsent sein? Muss man sich mit Devotionalien eindecken? Muss man gar Mitglied sein? Darf man kritisch sein und es auch noch zum Audruck bringen? Eines ist für mich jedenfalls klar, wenn die Medien von den „Fans“ schreiben, wissen sie nicht, wen sie eigentlich meinen. 

P.S. Einige Worte aus einem Interview, die sowohl zum heutigen Blog wie auch zum gestrigen passen. Gesagt hat sie Alex Feuerherdt, Begründer des Twitter-Accounts „Colinas Erben“. 

Es war sehr unangenehm. Die schiere Wucht der Kommentare ging darüber hinaus, was wir sowieso schon Woche für Woche abbekommen. Ich würde es als klassischen Shitstorm bezeichnen. Und da war es schon aus Gründen von Selfcare wichtig, sich aus diesem manchmal sehr toxischen Medium Twitter rauszuziehen. Zum einen handfeste Beleidigungen: Löscht euch, euch braucht kein Mensch, ihr kriecht dem DFB in den Hintern. Zum anderen wurde uns grundsätzlich die Kompetenz abgesprochen. Die Wucht entfaltete sich durch die Masse: Wenn Sie zum 150. oder 200. Mal gelesen haben, dass Sie ein Bastard oder Hurensohn sind, der keine Ahnung hat – dann kocht einem das irgendwann die Birne weich.