Der Investor – eine grundsätzlich toxische Beziehung?

Wohl kaum ein Thema ist in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Profi-Fußball so präsent gewesen wie der Einstieg von Investoren, strategischen Partnern, “Gönnern” und der Diskussion um 50+1. Zur Erinnerung, was 50+1 überhaupt bedeutet:

Die 50+1-Regel (manchmal auch 50+1-Regelung) ist eine Vorschrift in den Statuten der Deutschen Fußball-Liga. Nach dieser Vorschrift ist es Kapitalanlegern nicht möglich, die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften zu übernehmen, in die Fußballvereine ihre Profimannschaften ausgegliedert haben. (Quelle: Wikipedia)

Diese Regel besagt demnach, dass sich die Stimmenmehrheit bei Vereinen, die ihre Profimannschaften aus dem Gesamtverein ausgegliedert haben, immer mit mindestens einer Stimme (+1) im Besitz des Gesamtvereins, also der Mitglieder befinden muss. Verhindert werden soll auf diesem Weg, dass Investoren, Spekulanten, Heuschrecken oder was auch immer mit der ausgegliederten Profi-Abteilung nach ihrem Gusto verfahren können und es soll sichergestellt werden, dass am Ende immer die Mitglieder (über die Wahl des Vereinspräsidenten und damit Mehrheitsanteilseigners) das letzte Wort haben. Eine im Grunde nette Vorstellung, doch auch ohne eine Verletzung oder gar offizielle Aufhebung der 50+1-Regel ist all dies eigentlich nur noch ein feuchter Traum irgendwelcher Traditionalisten und wird in der Praxis tagtäglich über den Haufen geworfen. Tatsache ist, das eigentlich jeder (Werbe)-Partner, der Gelder in Millionenhöhe in einen Profi-Verein “investiert”, nicht nur wissen möchte, was mit seinem Geld passiert, er möchte im besten Fall auch noch mitreden, der Anfang vom Ende. Denn eines der Hauptprobleme dieser Welt ist es, dass sich wirklich absolut jeder, der sich für diesen Sport interessiert, für einen größeren Experten als den aktuellen Bundestrainer hält, Plattformen wie FIFA oder Comunio tun ihr Übriges. Am Ende stehen die sportlich Verantwortlichen eines Vereins da und müssen absoluten Amateuren Rede und Antwort stehen. 

In diesen Tagen geistert natürlich die Hertha aus der Hauptstadt und ihr “eigenwilliger” Investor Lars Windhorst durch die Medien, eine Beziehung, von der die Meisten von Anfang an sicher waren, dass sie binnen kürzester Zeit in die Hose geht. Gesagt, getan – aber wer genau hat eigentlich Schuld am Scheitern nicht nur dieser, sondern zahlreicher ähnlicher Beziehungen? Der Kicker schreibt dazu:

Funktioniert hat diese Beziehung nie. Weil es ihr an allem fehlte: an einer tragfähigen Kommunikation, an Vertrauen und an einem gemeinsamen, fundierten Plan von Gegenwart und Zukunft. 

Versuchen wir der Sache doch einmal etwas Inhalt zu verschaffen, sollte ich zeitweilig auf den KSV und dessen Investor verweisen, bitte ich um Nachsicht. Tragfähige Kommunikation, was genau soll das eigentlich bedeuten? Kommunikation heißt, dass man sich austauscht und ich bin sehr sicher, dass dies in Berlin geschehen ist. Aber ist es nicht weniger die Frage einer “tragfähigen” Kommunikation als vielmehr das von Anfang an existierende Problem bzw. die Frage, wer eigentlich was will? Sicher, der Verein will Erfolg, wer will den nicht und ich gehe davon aus, dass auch der Investor nichts anderes will, aber allein die Frage nach dem Weg dorthin wirft die ersten Probleme auf. Viele Vereine, die sich mit der Frage nach einem Investor beschäftigen, tun dies aus rein monitären Gründen was nichts anderes heißt als: Sie sind blank. Sie erhoffen sich vom Einstieg eines reichen Teilhabers frisches Geld, neue Spieler und gleichzeitig meistens eine Entschuldung und damit grundsätzliche Gesundung des Vereins. Aber will der Investor das Gleiche? Ein Mann wie Lars Windhorst will Erfolg und er will schnellen Erfolg. Er will in seiner Loge sitzen und internationalen Fußball sehen, zumindest will er erfolgreichen Bundesliga-Fußball sehen. Und er will, dass sein Name mit diesem Erfolg unmittelbar verknüpft wird. Es soll nicht der jeweilige Sportchef oder Trainer als Garant des Aufschwungs in den Schlagzeilen auftauchen, sondern der edle Gönner, ohne den all das überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Die Minimierung oder sogar gänzliche Tilgung der drückende Schuldenlast interessiert einen Investor in erster Linie erst einmal gar nicht, er will Spektakel für sein Geld, kein ausgeglichenes Konto. Man sieht, wie bereits an dieser Stelle das genannte Problem mit der “tragfähigen” Kommunikation zu bröckeln beginnt. Übrigens: Ähnlichkeiten zu einem bekannten Hamburger “Gönner” sind rein zufällig. 

Vertrauen, schreibt der Kicker. Aber was genau ist damit gemeint? Soll der Verein dem Investor vertrauen, dass er auch bei der Stange bleibt, sollte der kurzfristige Erfolg ausbleiben? Soll der Investor den Vereinsverantwortlichen vertrauen, dass sie schon das Richtige mit seinen Millionen anstellen werden? Hier beginnt doch bereits das nächste Problem, denn es sind doch genau diese Vereinsverantwortlichen, die mit ihrem Handeln dafür gesorgt haben, dass der Verein einen Investor überhaupt benötigt. Sie waren es, die sportlich und finanziell so erfolglos agiert haben, dass der Einstieg eines Investors nötig wurde. Ein Klub, der sportlich und finanziell gut aufgestellt und solide geführt wird, braucht keinen externen Geldgeber, der ins Geschäft reinredet, sobald die ersten Millionen geflossen sind. Was bedeutet das? Nun, es bedeutet, dass eigentlich diejenigen, die den Karren in den Dreck gefahren und dann notgedrungen den Investor an Bord geholt haben, sofort nach dessen Einstieg gehen müssten, Begründung: Unfähigkeit. Passiert das nicht, hat es einen Grund und dieser Grund wird immer der sein, dass der zukünftige Geldgeber der einen oder anderen Führungsperson signalisiert hat, dass er im Falle des Investments bleiben dürfte. Wer das ist, kann man immer wunderbar daran ablesen, wer von den Granden sich im Vorfeld begeistert über seinen Einstieg des Investors äußert. (Kühne/Boldt). Zweifel melden immer die an, die wissen, dass sie unmittelbar nach der ersten Überweisung gehen müssen. Übrigens: Gern bedienen sich die willigen Investoren sogenannter Experten, die ihnen bei der Ausgestaltung des gerade übernommenen Vereins mit ihrer Fachkenntnis zur Seite stehen, gegen Bezahlung natürlich. Leider sind diese Experten zu 99.9% nicht am Erfolg des Vereins, sondern ihres eigenen Bankkontos interessiert (Struth, Calmund) und sie zeichnet ein weiteres Attribut aus: Im Falle des Misserfolgs tragen sie keinerlei Verantwortung. 

Ein gemeinsamer, fundierter Plan von Gegenwart und Zukunft. Wie bereits zuvor erwähnt, gehen hier die Vorstellungen beider Parteien zumeist weit auseinander. Der Investor will Erfolg und er will sich in diesem Erfolg sonnen. Der Verein will natürlich auch Erfolg, aber er möchte eben auch Erfolg und vor allem Sicherheit, wenn der Investor vom Hof geritten ist. Lässt sich diese Disharmonie der Ziele auflösen und auf einen gemeinsamen Nenner bringen? Schwerlich, wie man an zahllosen Beispielen wie Kaiserslautern, München 1860 oder anderen Vereinen wie dem KSV ablesen kann. Natürlich wird der Investor vor seinem Einstieg erklären, dass er sich nicht ins Tagesgeschäft einmischen und den Verein mit seinem Geld gesunden möchte, aber was hat ein reicher Gönner denn davon, wenn der Verein zwar schuldenfrei, aber erfolglos ist (siehe Hertha)? Einen Investor, der sich nicht einmischt, gibt es nicht und je größer das Investment und je größer die Probleme des Vereins, umso schneller wird es passieren, dass derjenigen, der die Musik bezahlt hat, auch bestimmen will, was gespielt wird. Ein Blick auf die Insel kann an dieser Stelle helfen. Nach der überraschenden Kündigung von Thomas Tuchel, äußerte sich Vereins-Insider Graeme Souness zu der Aktion:

„Todd Boehly beschuldigt Thomas Tuchel, aber die Schuld liegt klar bei ihm… Die 300 Millionen Pfund teure Einkaufstour des amerikanischen Eigentümers war verrückt – und zudem versteht er unser Spiel (Fußball) gar nicht!“ Und weiter: „Boehly ist ein sehr wohlhabender Mann, der unternehmerisch tätig ist und sicher in vielen verschiedenen Bereichen Geld verdient hat. Ein Mann, der sich den Fußball angeschaut hat und dachte: ‚Das ist ein Geschäft, das unkompliziert und einfach ist – und weil ich in so vielen anderen Aspekten des Lebens so klug bin, kann ich das auch schaffen‘“, so Souness. Mitnichten! (Quelle: Sport1.de)

Der Klassiker. Ein reicher Amateur, ein erfolgreicher Geschäftsmann kauft sich in einem Verein ein oder übernimmt ihn komplett und binnen kürzester Zeit spielt er Bundesliga-Manager 22. Exakt das ist übrigens das, was Kühne 2014 mit dem KSV gemacht hat und was Kühne im Falle einer Annahme seines vergifteten Angebots erneut machen würde. Im Grunde ist es sogar das, was Kühne als größter Anteilseigner neben dem e.V. all die Jahre gemacht hat und ihm gehören gerade einmal ca. 20% der KSV Fußball AG. Nicht auszudenken, was passiert, wenn der alte Mann aus Schindeleggi noch mehr Musik bestimmen will, für die er bezahlt hat. Natürlich wird im Vorfeld grundsätzlich darüber gesprochen, dass man ja gar nicht mitreden möchte und den Verantwortlichen vertrauen würde (Vertrauen), aber wie die Realität aussieht, hat man in St. Ellingen in den letzten 8 Jahren gesehen. 

Fazit: Was also tun? Für einen Verein ist es garantiert gesünder, grundsätzlich auf einen Groß-Investor zu verzichten, dann muss er allerdings auch bereit sein,  den ganz großen sportlichen Erfolg abzuschreiben, ohne externes Geld wird es in unserer Zeit keine Titel und Meisterschaften mehr geben. Begibt man sich jedoch auf das schmale Brett und holt einen reichen Gönner an Bord, ist sportlicher Erfolg noch lange nicht garantiert, aber dafür ist garantiert, dass in Zukunft Amateure ins Geschäft reinreden, wenn eben genau dieser angestrebte Erfolg ausbleibt. Ich persönliche habe, als ich mich noch wirklich für den Sport interessiert habe, gern andere Mannschaften Champions League-Siege einfahren sehen, aber für meinen Verein war es wichtiger, dass man das Heft des Handelns selbst in der Hand hatte. Unglücklicherweise haben sich beim KSV in so vielen Jahren Blendgranaten, Abgreifer und Selbstoptimierer die Klinke in die Hand gegeben, nur so war die Initiative HSVPLUS überhaupt erst möglich und eigentlich notwendig geworden. Rückgängig machen kann man den Krempel mit der verpfuschten Ausgliederung eh nicht mehr, was bedeutet, dass man einem Investor den Verein mittlerweile auch komplett übergeben könnte. Es sollte vielleicht nicht unbedingt Klaus-Michael Kühne sein. Oder Boehly. Oder Lars Windhorst. 

P.S. Dieser Blogbeitrag ist kostenpflichtig, man kann ihn nur lesen, wenn man mindestens € 10 gespendet hat 😀 😀 

In diesem Sinne….

 

Von | 2022-10-07T08:30:57+02:00 7. Oktober 2022|Allgemein|12 Kommentare

12 Comments

  1. UliStein 7. Oktober 2022 um 08:23 Uhr

    Gravesen, beim Zitat des Kicker, fehlt da nicht was nach dem dritten ‘an’?

    • Jens 7. Oktober 2022 um 08:27 Uhr

      Wer gespendet hat, dem fehlt da nichts und kann es lesen ….. 🙂

  2. Gravesen 7. Oktober 2022 um 08:31 Uhr

    Ist korrogiert. Danke

  3. Süd-Fan 7. Oktober 2022 um 13:15 Uhr

    Tatsache ist, das eigentlich jeder (Werbe)-Partner, der Gelder in Millionenhöhe in einen Profi-Verein “investiert”, nicht nur wissen möchte, was mit seinem Geld passiert, er möchte im besten Fall auch noch mitreden, der Anfang vom Ende.

    Ne, wollen z.B. die allermeisten Sponsoren die Namensrechte an Stadien gekauft haben in meinen Augen eher nicht. Und auch Hauptsponsoren auf dem Trikot nicht.
    Beispiel Frankfurt, die Deutsche Bank zahlt 5,5 Millionen dafür dass es “Deutsche-Bank-Park” heißt. Dazu Indeed auf dem Trikot
    Die haben sich überlegt ob es passt und was es ihnen wert ist, aber die wollen nach dem Vertragsabschluss nicht reinreden – ich kann Dir sagen was die wollen:
    Ihr Name soll prominent erscheinen, dies bedeutet:
    – Spiele in der 1. Liga und international
    – Keine Verbindung des eigenen Namens mit Ausschreitungen, Gewalt und ähnlichem

    Also natürlich wollen sie Erfolg und keine schlechte Publicity, aber reden sie deshalb mit was die finanzielle und sportliche Entscheidungen angeht?
    Ich denke nein – hier liegst Du falsch, zumindest in Deiner Verallgemeinerung.

    • Gravesen 7. Oktober 2022 um 18:19 Uhr

      Wie schön, dass du mir das sagen kannst

      • Süd-Fan 7. Oktober 2022 um 21:36 Uhr

        Find ich auch 😘
        Ne, mal ernsthaft – abweichende Kommentare sind nicht so Dein Ding, oder?
        Dabei bin ich ja meist Deiner Meinung, aber eben nicht immer.

        • Gravesen 7. Oktober 2022 um 21:48 Uhr

          Ne, ist doch alles gut. Wenn du mehr weißt als ich.

  4. Hannover1958 7. Oktober 2022 um 14:33 Uhr

    Boehly hatte Tuchel auch eine 4:4:3-Aufstellung vorgeschlagen.

  5. Sportjournalist Scholz 7. Oktober 2022 um 16:05 Uhr

    Ich glaube es ein Unterschied, ob es eine Person ist, oder eine Gesellschaft.

  6. Sportjournalist Scholz 7. Oktober 2022 um 18:42 Uhr

    Der super doofe 3f bringt wieder einen total kopierten bolg und das Vieh klatscht dazu.quelle dpa. Was für deppen

    • Profikommentator 7. Oktober 2022 um 21:13 Uhr

      Anfang nächster Woche erzählt Scholle noch was zu Olafs Qualitäts-Gastbolg, ich bin schon ganz aufgeregt. Hoffentlich ist das darstellbar.

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