Jedesmal, wenn ich lese, dass wieder irgendein in Vergessenheit geratener Ex-Irgendwas von irgendwem schwärmt, muss ich lachen, denn ich frage mich immer wieder, wie man als Journalisten-Darsteller diese spätpubertären Schwärmereien überhaupt einfängt. Ruft da irgendein Redaktionspraktikant bei irgendeinem Trainer an und sagt: „Nun sagen sie doch mal, was halten sie eigentlich von Trainer X?“ Oder melden sich diese zumeist aus dem unmittelbaren Dunstkreis der großen glücklichen Fußball-Familie entsorgten ex-Exen bei irgendeinem Schmierblättchen und fragen, ob sie nicht mal etwas unsagbar Positives zu Sportchef Y sagen dürfen? Niemand weiß es, wahrscheinlich u.a. aus dem Grund, weil es diese Schwärmereien in der Realität gar nicht gab oder sie in Ansätzen vor Monaten einmal in einem völlig anderen Zusammenhang getätigt wurden und seither im Höllen-Archiv der O-Töne schlummerten, immer dann hervorzuholen, wenn es gerade ins Bild passt. 

Wie den Meisten wohl aufgefallen ist, wird in diesen Tagen ganz besonders über den seichten Tom Walter und den sensiblen Slenderman Judas Bildt geschwärmt. Irgendwie komisch, dass diese Schwärm-Orgien immer dann ablaufen, wenn der aktuelle Tabellenstand es hergibt. Ich habe niemanden auf diesem Planeten vor dem Kiel-Spiel über Malle-Tommy schwärmen hören, zu einem Zeitpunkt, als er mehr gefeuert als gefragt war. Da klangen die Stimmen irgendwie anders, dort wurde ein nicht vorhandener Plan B kritisiert, ein Plan, den es im Übrigen immer noch nicht gibt, aber die Gegner sind einfach noch schwächer als in den Jahren zuvor geworden, sodass dieses Manko nicht mehr derart ins Gewicht fällt. Auch der Charakter des zurückhaltenden Promotions-Verweigerers aus der Waldorfschule wurde ganz anders gezeichnet, als er den Verein mit erfundenen Rom-Gerüchten erpresste und mehr Abfindungen an Ex-Erfolgstransfers bezahlte als eigene Erlöse einspielte. Nun, kein Wunder, damals gab ja auch weder Tabellenstand noch die grundsätzliche Situation Grund zum Kollektiv-Schwärmen, das ist heute anders, kann sich in zwei Wochen aber bereits wieder geändert haben. 

Denn sollte der KSV die berühmt-berüchtigte Rückrunde erneut wiederholen, wird es für die besagten Redaktionspraktikanten deutlich schwieriger, irgendeinen Namen zu finden, der sich dann positiv über einen Coach auslässt, der kurz vor der Entlassung steht. Und auch der introvertierte Regenjogger wird dann plötzlich und wie von Zauberhand vollkommen anders wahrgenommen und dargestellt als zur Zeit. Ich nenne das „Situations-Journalismus“ und es sollte für Menschen mit einem IQ oberhalb von 12 durchaus zu erkennen sein, was hier praktiziert wird. Unglücklicherweise existiert im Umfeld des KSV eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Kreaturen, die eben nicht an diese Schallmauer herankommen, die dazu berechtigt, ohne fremde Hilfe zu atmen. Sie glauben tatsächlich, dass all diese zitierten Trottel den Erfolgs-Tommy tatsächlich endgeil und den zuvorkommenden Sportvorstand supernett finden. Und wenn die es sagen, muss es auch stimmen und wie kann es dann sein, dass der verblödete Aufsichtsrat die Verträge mit diesen beiden Sympathieträgern nicht vorzeitig bis 2042 verlängert? Wenn sogar Gerd vom Bruch sagt, dass Walter was kann.