In der 82. Minute explodierte das Volksparkstadion, ich bin oft da gewesen, aber so etwas hatte ich selten erlebt. Selbst vom sogenannten Kuchenblock flogen Sitzkissen, die Zuschauer standen auf ihren blauen Schalensitzen und flippten komplett aus. Der Lärm in der Arena war ohrenbetäubend, eine unfassbare Stimmung und obwohl der KSV am Ende nicht gewonnen hatte, fuhr man wie unter Drogen nach Haus und wusste, dass man Zeuge eines unvergesslichen Ereignisses geworden war. Und nein, es war weder Robert Glatzel, der diese Extase ausgelöst hatte und Jonny Kittel war es erst Recht nicht. In der 82. Minute war es Nico Kovac, der die zwischenzeitliche Führung gegen die Weltauswahl von Juventus Turin besorgt hatte und die Veranstaltung ist inzwischen ca. 8.100 Tage bzw. 11.664.000 Minuten her. Ich saß 22B, Reihe 1, Sitzplatz 48, direkt über der damals noch existenten Stadionuhr und ich fühlte mich als HSVer, vielleicht zum letzten Mal, aber das wusste ich damals noch nicht. 

Denn was danach kam, war das große Nichts. Natürlich würden jetzt einige Spieler wie Rafael van der Vaart oder Nigel de Jong anführen, aber wenn man ehrlich ist, zeigte dieser Verein in den letzten 22 Jahren niemals wieder die Leistung, die er aufgrund der unglaublichen finanziellen Anstrengungen hätte zeigen müssen und zwar konstant. Wer von euch möchte ausrechnen, wieviele zig-, wahrscheinlich hunderte Millionen Euro in diesen 22 Jahren das Klo runtergespült wurden bzw. in den Taschen von Beratern und Führungskräften gelandet sind? Ich nicht, ich bin damit durch. Heute turnen in der Volksparkruine Maltafüße wie Meffert, Schonlau oder Daffeh rum, die zum damaligen Zeitpunkt nicht mal für die zweite Mannschaft hätten auflaufen dürfen, aber die Hüpfer hüpfen immer noch. Jeder neue Trainer ist der ultimative Heilsbringer, jeder neue Sportchef/Sportvorstand bringt das ultimative Netzwerk mit. Dabei ist vielen abhanden gekommen, dass dieser Verein im Laufe der Jahre nicht nur Geld und sportliche Klasse verloren hat, sondern er hat Relevanz verloren. 

Dabei muss man sich das mal bildlich vorstellen – ein Teil der Pickelträger, die heute Pyros abfackeln und im Namen der KSV-Farben auf die Anhänger anderer Verein einprügeln, war zum Zeitpunkt des letzten wirklich bemerkenswerten Spiels „ihres“ Verein noch nicht einmal geboren oder rannten mit einer Rassel in der Hand im Einteiler um den Weihnachtsbaum. Die halten all das, was in den 22 Jahren danach kam, für Fußball, wie er sein sollte und den KSV für einen großen Verein. Doch absolut kein Verein ist groß, dessen letztes erwähnenswertes Spiel fast ein Vierteljahrhundert her ist. 27 Cheftrainer durften sich nach Frank Pagelsdorf versuchen, alle sind gescheitert. Wie kann das sein? Waren das alles Übungsleiter ohne Lizenz und Plan? Oder ist es der Verein, seine Strukturen, seine Intrigen, seine Abgreifer und Selbstoptimierer und vor allem die unkritische Presse, die einen Hauch von Erfolg verhindern? Jetzt soll man sich ernsthaft dafür begeistern, dass der Klub mit einem Rekord-Etat und einem Rekord-Transfervolumen tatsächlich im fünften Jahr um die Rückkehr in eine Bundesliga mitspielt, bei der Vereine wie Mainz, Union, Freiburg und Augsburg, mit denen man vor wenigen Jahren noch zu fein war, sich mit ihnen vergleichen zu lassen, um Lichtjahre entrückt sind. Inzwischen hinkt man sogar hinter einem Verein wie Bochmum hinterher. BOCHUM! 

Und ihr wollt mir etwas von einem großen Verein erzählen 😀 😀