Um die Gesamtheit des Kühne-Dilemmas in seiner Gänze zu verstehen, muss man meiner Auffassung nach ein ganze Stück in der Geschichte zurückgehen, besonders vor dem Hintergrund, dass viele „Fans“ und Mitglieder all diese Ereignisse verdrängt bzw. vergessen haben und dass eine nicht zu unterschätzende Anzahl derer, die sich heute bemüßigt fühlen, Plakate mit Botschaften zu malen, zum damaligen Zeitpunkt noch im Einteiler mit einer Rassel in der Hand um den Tannenbaum gerannt sind. Setzen wir uns also für eine kurze Zeit in die HSV-Arena-Zeitmaschine und gehen zurück in die Jahre 2013/2014. 

In der Saison 2012/13 hatte der KSV wieder einmal den Sprung auf einen Platz, der zur Teilnahme an den internationalen Wettbewerben berechtigt, trotz  einer Transferinvestition von € 27  Mio. (Transferdefizit: € 18 Mio.) verpasst, man hatte sich bei Kühne mit einem Darlehn bedient und den alternden van der Vaart für € 13 Mio. aus Tottenham zurückgeholt, alles roch damals schon nach „all-in“. Der Verein war nach dieser erneuten finanzielle Kraftanstrengung nahezu pleite, die Ziele wurden verfehlt und im Zuge dieser Entwicklung hielt Ernst-Otto Rieckhoff auf einer Mitgliederversammlung seine berühmte „Wenn nicht jetzt, wann dann?-Rede“. Der Stein geriet ins Rollen, das unheilige Thema „Ausgliederung der Profi-Abteilung“ wurde plötzlich offensiver denn je diskutiert. Im Zuge dessen formierte sich eine Mitgliederbewegung, die sich „HSVPLUS“ nannte, ihr Ziel war es, die notwendigen Mehrheiten für eine erfolgreiche Ausgliederung zu beschaffen. Hierzu bediente man sich diverser Helfer und Mittel, Medien-Experte Stefan Rebbe (Kolle Rebbe) übernahm die Kommunikation, die 83er Thomas von Heesen, Dietmar Jacobs und Holger Hieronymus sorgten für die nötige Folklore. 

Ich erspare mir an dieser Stelle Details der Kampagne, sowie Einzelheiten zu diversen Personen, denn diese sind entweder nicht mehr interessant, hinlänglich bekannt oder schlicht nicht mehr relevant. Also springen wir in die letzten Wochen vor der Abstimmung, die Fronten zwischen Ausgliederung-Befürwortern (HSVPLUS) und Ausgliederungs-Gegner (HSV not for sale) waren extrem verhärtet, im Internet tobte ein Krieg um Recht und Deutungshoheit, die Zeiten für eine sachliche Auseinandersetzung waren längst vorbei. Am Strategietisch von HSVPLUS machte man sich Gedanken, wie groß wohl die Chance wäre, die erforderliche Mehrheit zu erreichen, man war sich sicher, dass es nur mit Überzeugung, Hinweis auf die sportliche Misere sowie die finanzielle Situation nicht getan war, es musste mehr kommen. Zuerst einmal meinte man, die Vereins-Folklore trotz der HSVPLUSSER von Heesen, Jacobs und Hieronymus noch stärker bedienen zu müssen, nach erfolgreicher Ausgliederung müsste unbedingt ein „Experte mit Stallgeruch“ an der Spitze der neugegründeten HSV Fußball AG stehen. Man nahm also Kontakt zu jemandem auf, den der Boulevard und die Riege der Hamburger Hofberichterstatter zum „Dukaten-Didi“ ernannt hatten, obwohl nachgewiesen wurde (HSV-Arena), dass Beiersdorfer den KSV nach seinem Abgang als Sportchef mit einem Transferminus von mehr als € 11 Mio. verlassen hatte. 

In einem Gespräch mit Rieckhoff meldete ich damals meine Bedenken an, aber man war sich sicher, dass ohne den Beiersdorfer-Move die notwendigen Mehrheiten verpasst werden würden. Und das, obwohl „Düdü“ nicht nur mit HSVPLUS, sondern auch mit HSV not for sale um eine Position an der Spitze der AG bzw. des e.V. verhandelte. Allerdings war man sich sicher, dass es allein mit Tradition nicht getan war, das Hauptproblem des Vereins war damals schon das Geld. Wenn man große Pläne verfolgt und diese an den Mann bringen möchte, was liegt dann näher, als das positivste Beispiel als Vorbild heranzuziehen, im Fall des KSV war es natürlich der FC Bayern München. Die Münchner waren in den 80er Jahren selbst einmal klinisch tot, bevor sie Karl-Heinz Rummenigge nach Mailand verkauften und sich mit diesem Transfer sanierten. Anschließend traf man eine Reihe guter strategischer Entscheidungen, u.a. die Einbindung sogenannter „Strategischer Partner“. Wie im bayrischen Fall mit Allianz, adidas etc. sollten große bekannte Unternehmen Anteile an der HSV Fußball AG erwerben, den Verein mit einem Schlag handlungsfähig machen, sich aber aus dem Tagesgeschäft raushalten. So der Plan. 

Den wahlberechtigten Mitgliedern verkaufte man seitens HSVPLUS die Geschichte so, dass die Gespräche mit potenziellen „Strategischen Partnern“ derart weit fortgschritten waren, diese Weltfirmen warteten nur noch auf die erfolgte Ausgliederung als „go“ und binnen weniger Tage würden die Millionen fließen. 

Teil 2 folgt morgen