Ich habe mich mal gefragt, seit wie vielen Jahren ich die zahllosen Mißstände dieses Vereins thematisiere, es müssen inzwischen 9 sein, denn bis zur Ausgliederung 2014, in die ich viel Hoffnung auf eine bessere Zukunft gesetzt hatte, habe ich vieles (nicht alles) bei diesem Verein noch teilweise verklärt und durchaus positiv gesehen. Natürlich längst nicht mehr so Fan-fanatisch wie noch zu meiner Zeit als bedingungsloser Anhänger, aber durchaus positiv. Das alles hat sich mit der vollkommen verkackten und von Lügen zersetzen Ausgliederung erledigt, seither sehe und beschreibe ich diesen Verein so, wie er ist. Intrigant, selbstverliebt, überheblich und sportlich extrem unerfolgreich. Man könnte sich durchaus mal die Frage stellen, wo dieser Verein ohne die zahlreichen Kühne-Millionen, aber mit der identischen Belegschaft heute wäre, ich bin mir ziemlich sicher, man wäre entweder in der 3. Liga oder aufgrund von Zahlungsunfähigkeit von der fußballerischen Landkarte Deutschlands entfernt und dies zu Recht. Und so beschreibe ich die Zustände dieses Vereins nun seit 9 Jahren, wie ich es tue, ohne allerdings seit 2018 ein Spiel live vor Ort gesehen zu haben. Auch im TV habe ich die letzten Jahre, die ich in Deutschland verbracht habe, kein KSV-Spiel mehr in voller Länge verfolgt, größtenteils nicht einmal die Zusammenfassungen. Wie kann es dann aber sein, dass ich in der Lage bin, die Probleme und Unzulänglichkeiten dieses Klubs besser beschreiben zu können als sogenannte „Berufs-Journalisten“, die bei jedem Heimspiel wahlweise auf der Pressetribüne oder der Auswurfcouch sitzen?

 

Ganz einfach, weil ich lesen und interpretieren kann und weil ich in der Lage bin, die Dinge so zu benennen, wie sie sind und nicht, wie sie sein sollten. Als sich der KSV 2019 dazu entschloss, Judas Boldt als Nachfolger für den glücklosen Becker zu implementieren, schrillten bei mir unmittelbar die Alarmglocken, obwohl ich den Mann eigentlich gar nicht kannte. Aber mir war der Sprung vom Assistenten in Leverkusen zu groß und die Belastung durch die Football Leaks-Enthüllungen zu schwer und ich habe mich gefragt, warum man ausgerechnet auf diese Figur kommen konnte. Am Ende hat mich mein Gefühl nicht getäuscht, Boldt hat sich als die Nemesis für diesen Verein herausgestellt, als die ich ihn von Anfang gesehen habe. Schwache Charaktere holen andere schwachen Charaktere und so war die unheilige Verknüpfung von Boldt und Walter eine logische Folge. Natürlich stellt der sensible Regenjogger seinen Lover Tom Lazlo Walter nicht in Frage, weil er sich ansonsten selbst in Frage stellen würde. Das ist so, als wenn jemand seit Jahren eine bestimmte Meinung vehement vertritt und dann plötzlich eine 180-Grad-Wendung vollzieht und das Gegenteil behauptet. Diese Person ist nicht mehr ernstzunehmen und sie weiß das. Doch wie ist das eigentlich grundsätzlich so mit den Meinungen?

 

Zwei Treffer in den letzten 10 Minuten in Kiel (immerhin Tabellen-Dritter der zweiten Liga) und in den Hamburger Redaktionen brechen alle Dämme. Natürlich nur temporär, denn nach einem 3:1-Heimsieg gegen Braunschweig werden die gleichen Hofschranzen, die plötzlich Tom Walter-Umfragen starten und die plötzlich erkannt haben, dass im Volkspark alles stattfindet, nur keine Entwicklung, wieder in den kollektiven Jubelmodus umschwenken, man möchte sich gar nicht vorstellen, was bei einem Auswärtssieg auf St. Pauli passieren würde. Aber mit diesem „Heute hü, morgen hott“ kommt man halt immer nur von Woche zu Woche, aber nie auf den Kern der Probleme und diese Probleme sind beim KSV so vielfältig, dass man eigentlich das nächste Buch schreiben könnte. Kühne-durchtränkter, nicht vorhandener Aufsichtsrat. Nord-Korea-Beirat. Boldt. Walter. Huwer. Supporters. Finanzen. Die Liste ist unendlich und an dieser Unendlichkeit erkennt man auch, dass eine Lösung nicht nur in weiter Ferne liegt, sondern quasi ausgeschlossen ist. Und genau so könnte man es auch benennen, wenn man denn Charakter hätte. Haben aber leider 98% der Fähnchendreher nicht, auch nicht Sebastian Wolff vom Kicker, der in Woche 34 eine signifikante Weiterentwicklung erkennt, um sie in Woche 35 zu negieren und in Woche 36 wiederzubeleben, immer so, wie der Leser es gern hätte. 

 

Nein, man braucht Charakter, um seine Meinung zu begründen und dabei zu bleiben, ohne bei der kleinsten Delle einzuknicken, damit man bloß wieder auf der richtigen Seite steht. Diesen Charakter haben die sogenannten Hamburger Sportjournalisten aber nicht, sie hatten ihn nie. Bei Vielen (den Meisten) kommt neben dem nicht vorhandenen Charakter auch noch die fehlende Qualität sowie der Hang zum überalterten Fanboy hinzu, man kann sich als objektiver Beobachter nicht auf der Pressetribüne gegenseitig abklatschen, wenn Glatzel trifft, das geht nicht. Tun sie aber, genau wie sie bei den inzwischen zur Widerlichkeit verkommenen Pressekonferenzen wie reudige Köter um die Gunst eines asozialen Proleten wimmern, der sie mit schöner Regelmäßigkeit demütigt. Ich kann mich an Gespräche/Interviews mit Herren wie Knäbel, Hunke, Wüstefeld etc. erinneren, bei denen ich direkte Fragen stellte und die Herren, die normalerweise höfische Untergebenheit gewohnt sind, ganz gut schlucken mussten. Aber sie haben geantwortet, weil sie in der Lage waren, damit umzugehen. Immer wieder bedenklich ist das gegenseitige „Sich-den-Ball-zuspielen“ in den meisten Hamburger Sportredaktionen. Denn nachdem die Tagesschreiber ihre gekaufte Jubelarbeit erledigt haben und sie nicht zum Erfolg geführt hat, kommt irgendwann die mahnende Stimme aus dem „Off“, einen solchen Mitarbeiter hat inzwischen jeder Laden. Im Fall des Hamburger Auftragsblatts ist es nun Sportchef Alexander Laux, der über Monate hinweg dem albernen Treiben seiner Untergebenen Walther und Jacobs (früher Schiller) zugeschaut hat und nun für sie in die Bütt springt.

 Auf der anderen Seite wirkt Tim Walter mit seinem (Auswärts-)Latein ziemlich am Ende, weil seine Lehrmethoden zu verpuffen scheinen. Vor den Zahlen jedoch schützen diese Pluspunkte Walter nicht, einige Statistikwerte müssen in der Führungsetage des Vereins für Alarmstimmung sorgen. Es kann nicht sein, dass das gesamte HSV-Team bei Holstein Kiel fast zehn Kilometer weniger läuft als der Gegner und auch im Sprintbereich deutlich abfällt, von dem desaströsen Defensivverhalten mal abgesehen.

 Boldt muss prüfen, ob die Methoden Walters noch greifen oder ob auch er „nachsitzen“ muss. Und er muss entscheiden, in welcher personellen Konstellation die Wahrscheinlichkeit für den Aufstieg am größten ist. Kontinuität ist immer ein gutes Ziel. Aber es führt eben nicht immer zum gewünschten Ergebnis.

Das, mein lieber Alex, hätte Boldt bereits machen müssen, bevor er den beim VfB Stuttgart gefeuerten und anschließend 1 1/2 Jahre arbeitslosen Übungsleiter als die Lösung für den KSV holte. Spätestens nach den Frühjahrs-Einbrüchen in den Rückrunden 22 und 23 hätte man seine Lehren ziehen müssen, aber rein aus politischten Motiven (Wenn Walter fällt, gerät auch Boldt ins Schwanken) hat man den Vertrag verlängert. Auch da habt ihr lautstark geschwiegen, weil ihr es euch mit den Anhängern der Liebessekte als Leser nicht verderben wolltet, habt damit aber gleichzeitig euren Beitrag am weiteren Niedergang des Vereins geleistet. Es nützt nun mal nichts, wenn man sich immer erst dann aufstellt, wenn das Kind kopfüber im Brunnen treibt und wenn wirklich auch der dümmste Bauer aus Hessen sieht, was gespielt wird. 

Und dann gibt es Patienten, die sich ernsthaft bei Münchhausen (der übrigens die Pressekonferenzen schwänzt, weil es „nichts bringt“) für den nächsten windelweichen Wischi-Waschi-Blog bedanken, nachdem er zum 162. Mal in den letzten Jahren sein Fähnchen in den Wind gehalten hat. Ich erinnere: 

https://moinvolkspark.de/blog/der-hsv-findet-seine-balance-2/

https://moinvolkspark.de/blog/reifer-20-sieg-gegen-rostock-dieser-hsv-macht-spass/