Wie jeden Morgen nach dem Aufstehen folge ich selbst im australischen Busch dem gleichen Ritual – ich durchforste während des Frühstücks nacheinander die deutschen Medien, natürlich auf dem Smartphone. Heute klicke ich also die Website des Hamburger Kampagnenblatts an und finde relativ weit oben einen Artikel mit der Überschrift „So spielt ein Aufsteiger: FC St. Pauli dominiert Nürnberg“. Soweit, so gut, ich scrolle also weiter. Und weiter. Und weiter. Und dann, irgendwann relativ weit unten werde ich fündig. „Delling und Rost treten aus der Uwe Seeler-Stiftung zurück“. Dies ist tatsächlich der erste Artikel, der sich entfernt mit dem KSV beschäftigt, wie die Überschrift zeigt, sehr entfernt. Und dennoch ist all dies bezeichnend, signifikant und für den Verein von der Müllverbrennungsanlage alarmierend bis katastrophal, denn nicht nur im deutschen (im internationalen schon längst) Vergleich verliert der Klub seine Relevanz, sondern nun bereits in der Stadt, deren Namen er trägt. Der KSV ist dabei, in Hamburg nur noch die zweiten Geige zu spielen, ein Zustand, der während seiner gesamten Vereinsgeschichte undenkbar schien und nun zur Realität wird.

Zeit meines Lebens galt eigentlich immer die Faustregel: Der KSV spielt in der Bundesliga, der FC St. Pauli ist ein geborener Zweitligst, der vielleicht ab und zu mal auf-, dann aber umgehend wieder absteigt. Die Machtverhältnisse waren klar geklärt und abgegrenzt und nach meinem Gefühl auch von den Anhängern des Kiezklubs akzepziert, doch damit ist es vorbei. Denn nun ist, nicht plötzlich, sondern geplant, der Stadtteilverein die Nr. 1 in Hamburg und es ist alles andere als ausgeschlossen, dass er es vorerst bleiben könnte, denn zu systematisch scheint man am Millerntor zu arbeiten, zu sorgfältig scheint sowohl Scouting wie auch Trainingsarbeit und die Arbeit am eigenen Image zu sein, als dass man an eine Trendumkehr glauben könnte. Auf St. Pauli wird ernsthaft gearbeitet, während im Volkspark intrigiert und gelabert wird, inzwischen ist der Veren mit dem Totenkopf auf der Fahne tatsächlich hanseatischer als der Großkotz-Klub aus St. Elllingen, das ist unfassbar. 

Doch was würde es für den KSV bedeuten, wenn ihm der Kiezklub auf Sicht in allen Bereichen den Rang ablaufen würde? Unabhängig davon, dass es aufgrund der Wirtschaftsdaten ein Ding der unfassbaren Peinlichkeit ist, verliert der KSV auch mehr und mehr Sympathien in der eigenen Stadt, bei den Sponsoren, irgendwann auch bei der Stadt selbst. Der Mensch tendiert grundsätzlich dazu, zu den Gewinnern gehören zu wollen, Verlierer sieht man am liebsten von hinten und so ist der Trend der medialen Aufmerksamkeit erst das erste Mosaiksteinchen, weitere werden folgen. Man stelle sich vor, die Geschichte des FC St. Pauli nimmt einen ähnlichen Verlauf wie die von Union Berlin, während der KSV sich im unteren Mittelfeld der zweiten Liga wiederfinden würde, was dann? Sowohl Anhänger wie auch Vereinsfunktionäre haben immer noch nicht verstanden, was Judas Boldt mit Unterstützung des Beirats und des Aufsichtsrats in den letzten Jahren angerichtet hat und Boldt selbst wird die Zeche auch nicht zahlen müssen, er sitzt längst wieder zuhause in Düsseldorf, wenn der KSV die Lachnummer Hamburgs ist. 

In all den Jahren haben es die Idioten von der Müllverbrennungsanlage nicht verstanden, was es heißt, der Dino der zweiten Liga zu sein, aber jetzt, wo der ungeliebte Nachbar vom Kiez sich anschickt, den Großmäulern zu zeigen, wie es funktioniert, geht ihnen langsam ein Licht auf. Zu spät, ihr Vereinsverweser.

Zum Schluss…

…das Letzte.

Einen kleinen Service für die Schmierlappen aus der Abteilung Hofbericht,die ja bekanntlich mitlesen und abschreiben, hätte ich da noch. Fragt doch mal bei der nächsten PK, wie es der halbwegs neue Trainer findet, dass sich ein Verteidiger, dessen Vertrag ausläuft und der sich seit Wochen im Formtief befindet, nachdem er davor solide Leistungen abgeliefert hatte, mitten in seiner Reha-Zeit und obwohl er kurz vor der Rückkehr in den Kader stehen sollte, morgens um 2.30 Uhr auf einer Party rumtreibt. Am Spieltag!!! Entweder, eine professionelle Berufseinstellung ist immer noch nicht im Volkspark eingekehrt oder den Spielern ist es schlichtweg egal, was aus einem Verein wird, der vor einer der schwersten Zeiten seiner Geschichte steht.