Mal angenommen, man wäre Geschworener in einem US-Prozess, bei dem dem Angeklagten mehrfacher Mord vorgeworfen wird und ihm entsprechend den Gesetzen des Bundestaates die Todesstrafe droht. Hat man als Geschworener nur einen einzigen Zweifel an der Schuld des Angeklagten, haben die Argumente der Staatsanwaltschaft nicht überzeugt, haben sich die Belastungszeugen widersprochen, kurz: Könnte es sein, dass der Mann zu Unrecht angeklagt ist, darf man ihn nicht schuldig sprechen. Period. Ungefähr so, wenn auch die Konsequenzen nicht so weitreichend, zumindest körperlich, sind, verhält es sich bei der heutigen Abstimmung zur Rechtsformänderung. Hat man als Stimmberechtigter nur den leistesten Zweifel, dass diese Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt gut und notwendig für den Verein ist, kann man nicht mit Ja stimmen. Ich möchte noch nicht einmal behaupten, dass die Änderung als solche unsinnig ist, sie ist aber zum jetzigen Zeitpunkt unsinnig, zumindest dann, wenn man den Aussagen der Beteiligten glauben möchte, was ich nicht tue, denn hier beginnt der erste von vielen Knackpunkten.

Diejenigen, die den Mitgliedern seit Wochen erklären, sie hätten quasi das Penicillin neu erfunden, sind exakt die Gleichen, die den gleichen Mitgliedern erklärten, der Verkauf des Stadiongeländes wäre zwingend notwendig, um die Volksparkruine EM-tauglich zu machen. Wenig später müssen sie zugeben, dass die gesamten zweckgebundenen € 23,5 Mio. wie vom Erdboden verschwunden sind und dass man erneut einen Kredit in Höhe von € 20 Mio. aufnehmen muss, um die Meisterschaftsspiele in Hamburg nicht zu gefährden. Und diesen Leuten soll man nun glauben? Ich nicht. Nächstes Thema: Heißt es nicht immer in der Fan-Gemeinschaft, die fiese Presse meint es schlecht mit dem Verein, hetzt, pestet, intrigiert und veröffentlicht Details, die dem Verein schaden? Wie erklärt sich dann, dass durch die Bank jede einzelne Hofschranze massive Werbung für die Rechtsformänderung betreibt? Das passt doch irgendwie nicht zusammen, oder?

Ich habe mich 2014, also vor fast exakt 10 Jahren, massiv für die Mitgliederinitiative HSVPLUS und für die Ausgliederung der Profiabteilung engagiert und ich bin heute immer noch der Meinung, dass es richtig war, diesen Schritt zu gehen. Was jedoch falsch war, war die Durchführung. Es war falsch, aufgrund ausbleibender sogenannter strategischer Partner allein auf die Kühne-Karte zu setzen, weil man dadurch die Tür für namhafte Firmen verschloss. Es war falsch, nicht auf echte Experten, sondern auf einen „Experten mit Stallgeruch“ zu setzen, den Zauderschlumpf Düdü Beiersdorfer. Was am Ende aus HSVPLUS respektive „Aufstellen für Europa“ wurde, weiß jeder, drei Jahre nach der Ausgliederung stellte man sich für die zweiten Liga auf. All das, was 2014 falsch war, ist jetzt wieder falsch. Der Zeitpunkt ist der falsche, denn warum möchte man diese weitreichende Maßnahme unbedingt zu einer Zeit durchdrücken, in der man ein halbwegs wertloser Zweitligist ist? 2014 wurde der Wert der HSV Fußball AG von Kühne auf ca. € 250 Mio. beziffert, heute ist es nicht einmal die Hälfte. Warum also die allerletzten Anteile zum Schnäppchenpreis verschachern?

Wenn ich sehe, wie sich bestimmte Gestalten gerade wieder in Stellung bringen, graut mir vor der Zukunft des Vereins. SC-Kasper Freese kann sich nichts Schöneres vorstellen, als Marcell Jansen als Präsident des e.V. zu beerben, um diesen Schritt zu erleichtern, wurde sogar der peinliche SC-Bibermeier in den Beirat berufen, Nachtigall….. Ich höre und lese immer wieder (zuletzt von Ex-SC-Boss Tim-Oliver Hörnchen), dass es am Ende auf die handelnden Personen ankommt, was aus der Umwandlung gemacht wird.

 

„Ob die Geldgeber dann auch wirklich keinen indirekten Machteinfluss ausüben, werden wir sehen“, zweifelt Horn. „Wer die Musik bezahlt, bestimmt häufig auch, was gespielt wird. An dieser Stelle müssen die HSV-Mitglieder aufpassen.“ Auch wenn der e.V. Private-Equity-Firmen ausschließt und eine 25-Prozent-Grenze für Gesellschafter festschreiben will, kann in der Theorie eine bei Fans unbeliebten Firma beim HSV einsteigen. „Es bleibt das Risiko, dem handelnden Vorstand vertrauen zu müssen“, sagt Horn. Das sei bei der AG aber ähnlich gewesen.

 

Stimmt, aber was lernt man daraus? Wollt ihr wirklich eine so weitreichende Maßnahme in die Hände von Gestalten legen, die einen Judas Boldt seit knapp 5 Jahren ungehindert versagen lassen? Aber okay, wenn euch das alles komplett Latte ist, wenn auch wichtig ist, dass es heute in Wilhelmsburg genug Bier und Erbsensuppe gibt und dass man Selfies mit dem blassen König Hasenfuß machen kann, dann stimmt halt mit Ja. Aber dann beschwert euch auch nicht, wenn diese Nummer ebenso krachend scheitert wie die Ausgliederung 2014. Und vor allem: Erzählt dann nicht, ihr seid nicht gewarnt worden.