Menschen wie ich, also sogenannte alte weiße Männer, blicken eigentlich nur noch mit einer Mischung aus Entsetzen, Abscheu und komplettem Unverständnis auf das, was dort vor sich geht, wo sie selbst früher einmal gestanden und supportet haben, in der Kurve der Ultras. Wie kann man diese Art von Fußball unterstützen, wie kann man sich diese (Eintritts)-Preise aufzwingen lassen, wie kann man eine Mannschaft feiern, deren Spieler vor 20 Jahren nicht mal in der Reserve des KSV hätten auflaufen dürfen, wie kann man derart unkritisch diese Ausbeutung und diese Leistungsverweigerung akzeptieren und auch noch gegen Stimmen von außen verteidigen? Nun, eine der Antworten ist vielleicht mit einem Wort gegeben: Zeit. Nehmen wir mal an, dass der Durchschnitts-Ultra zwischen 17 und 24 Jahre alt ist, okay? Dann müssen wir nur noch in die Zeitmaschine springen und gucken, wie lange es her ist, dass dieser Verein etwas anderes war als ein etablierter Zweitliga-Dino oder ein Bundesligist in der Dauerkrise, der jede Saison gegen den Abstieg spielte und von Vereinen wie Freiburg oder Mainz gedemütigt wurde.

Letzte deutsche Meisterschaft: 1983 (das ist 41 Jahre her)

Letzter DFB-Pokalsieg: 1987 (das ist 37 Jahre her)

Letzte Teilnahme an der Champions League: 2007 (das ist 17 Jahre her)

Letzte Teilnahme an der Europa League: 2009 (das ist 15 Jahre her)

Wie bitte soll jemand diese Erfolge als Maßstab nehmen, wenn er bei den letzten großen Erfolgen noch nicht einmal ansatzweise geplant war oder bei den letzten Besuchen von Europas Elite noch im Einteiler mit ner Rassel in der Hand um den Tannenbaum gerannt ist? Spiele wie das 4:4 gegen die Weltauswahl von Juventus Turin (2000) kennen diese „Mädels und Jungs“ nur noch vom Hörensagen, für sie klingt das alles wie „Opa erzählt vom Krieg“, aber anderseits nehmen sie diese Zeiten gern mit, wenn es darum geht, von Tradition zu labern und sich geiler zu fühlen als der Rest der Welt. Für diese Generation ist eine knappe Niederlage im Pokal gegen Bochum schon ein echter Erfolg, weil sie Zeiten, in denen dieser Verein über Klubs wie Bochum oder Augsburg gelacht hat, gar nicht kennen. Inzwischen empfinde ich es schon fast als Last der frühen Geburt, weil ich all diese Erfolge teilweise sogar live und vor Ort miterleben durfte, gleichzeitig empfinde ich so etwas wie tiefes Mitleid, weil den Pyro-Trotteln all dies nie in ihrem Leben widerfahren wird. Sie sind Anhänger eines Dauer-Zweitligisten, der nie wieder ein echter Konkurrent für Bayern, Dortmund, Leverkusen, Leipzig etc. werden wird. 

 

Thema „Atomkotz