Gestern las ich in einem Kommentar eine interessante Frage, sie lautete: „Wann hat das Virus begonnen und angefangen, sich auszubreiten. Und wer war Patient Null“? Ich denke, das kann eigentlich niemand wirklich beantworten, weil sich diese Entwicklung wahrscheinlich für jeden an einem anderen Ereignis manifestierten und festmachen lässt.  Wenn ich ehrlich bin, kann ich es nicht mal für mich selbst zu 100% beantworten, aber ich weiß, dass ich im Jahr 2014 endgültig mit diesem Verein gebrochen habe. Warum? Nun, wie die Meisten wissen, habe ich mich in den Jahren 2013/14 mit sehr viel Zeitaufwand, sehr viel Energie, sehr vielen Gesprächen und Sitzungen, vielen Kilometern Fahrerei und nach reichlich Anfeindungen für eine massive und aus meiner Sicht notwendige Veränderung des Vereins engagiert, das Ganze gipfelte dann in der Mitglieder-Initiative HSVPLUS. Die Idee war und ist richtig und ohne das Wissen, was am Ende daraus gemacht wurde, würde ich heute das Gleiche nochmal machen. Es war richtig und notwendig, diesen Verein zu reformieren, leider Gottes wurde die Idee und die Arbeit von außerordentlich vielen engagierten Mitgliedern in der Folge pervertiert. Der Gipfel der Genüsse war dann die Frage des damaligen Vorstandsvorsitzenden Beiersdorfer in einem Interview mit Daniel Jovanov: „Was sind denn überhaupt die Inhalte von HSVPLUS?“

Selten in meinem Leben habe ich mich derartig verarscht gefühlt und dabei ging es zu keinem Zeitpunkt um mich persönlich. Es ging immer um den Verein, um all die ehrenamtlichen Helfer, die HSVPLUS überhaupt erst ins Rollen gebracht hatten und die am Ende von den Initiatoren und denen, die eben diese Initiatoren ins Boot geholt hatten, zum Narren gehalten wurden. Selbst heute, 7 Jahre danach, stelle ich mir immer noch die Frage, ob eine komplette Verleugnung dessen, womit man mehr als 86% der Stimmberechtigten (die anwesend waren) zu ihrem Kreuz auf dem Zettel motiviert hatte, von Anfang an Teil der Planung war oder ob man erst im Zuge der Neuordnung zu dem Schluss gekommen war, dass man doch lieber alles beim alten belassen wollte. Dabei macht es am Ende eigentlich keinen echten Unterschied mehr, dann egal wie, in dieser Zeit wurde die Zukunft dieses Vereins, der ca. 40 Jahre Teil meines Lebens war, zu Grabe getragen und für immer beerdigt. Da können die Hofberichterstatter auch noch so viele Homestories ausbuddeln, da kann man gern auch weitere 14 Mal den kompletten Kader austauschen, der Verein ist tot und er kommt nicht zurück. Der HSV, den ich so viele Jahre mit extremen Enthusiasmus verfolgt habe, den gibt es nicht mehr. 

Betrachtet man die Stimmung in Blogs, Foren, bei Facebook, Twitter etc., dann nehme ich zur Kenntnis, dass ich nicht allein bin, im Gegenteil. Ich sehe auch, dass bei viele ehemaligen Hüpfern die Zündschnur extrem kurz geworden ist, man weder mit dem Verein noch mit den aktuell Verantwortlichen allzu viel Geduld aufbringt und auch nicht aufbringen will. Wahrscheinlich haben viele das Gefühl, einmal zu oft verarscht worden zu sein, der Verein hat es schlicht und ergreifend geschafft, über die Jahre zuviel Porzellan zu zerschlagen und dieses kann man nicht mehr kleben. Okay, für ein oder zwei Spiele, die nicht verloren oder gar gewonnen werden, kann auch durchaus mal wieder so etwas wie medial gehypte Ruhe einkehren, aber sobald der nächste Dreier leichtfertig und arrogant verdaddelt wurde, kommen Zorn und Häme in doppelter Intensität zurück. Von den eigenen Anhängern wohlgemerkt. Denn viele haben inzwischen registriert, dass der HSV seit vielen Jahren nichts anderes ist als ein Potemkinsches Dorf. Ein Scheinriese, der verzweifelt versucht, eine Vergangenheit zu reanimieren, anstatt auf die Zukunft zu setzen. 

Das Problem des Vereins respektive seiner Machthaber ist im Jahr 2021, dass man ihm nicht mehr glaubt. Egal, was sie tun, egal was sie veröffentlichen, ihnen schlägt ein Mißtrauen entgegen, welches zu 100% selbstverschuldet ist. Man kann Menschen nun mal nur bis zu einem gewissen Punkt verscheißern, irgendwann ist Schluss. Und in Hamburg ist Schluss. Auf Dauer. Gibt es aus dieser Situation einen Ausweg? Ehrlich, ich sehe keinen. Natürlich könnte man auf der Stelle das gesamte Versager-Personal austauschen, aber was kommt dann? Und selbst, wenn man irgendwelche alten Granden, die im Übrigen immer seltener werden, reaktivieren würde, würde man sie mit Mißtrauen beäugen. Der HSV hat einfach keinen Kredit mehr, den hat der erfolgreich verspielt, in dem man echten Fans gezeigt hat, wie sehr man auf sie und ihre Befindlichkeiten scheißt. Tatsächlich interessiert beim HSV (und nicht nur da) der Fan selbst weniger als Null, interessant ist sein Geld und da steht das nächste Problem des Vereins vor der Tür: Er hat sich die größten möglichen Fehler ausgerechnet in einer Zeit erlaubt, in der sich der professionelle Fußball grundsätzlich von der Gesellschaft entfernt, das menschliche und systematische Versagen an der Sylvesterallee wirkt entsprechend doppelt und dreifach. 

Und was für die Fans gilt, gilt für die Wirtschaft und die Sponsor exakt genauso. Der Verein hat keinen Dispo mehr, man glaubt ihm nicht. Zu oft wurden die Pferde im Galopp gewechselt, zu oft wurde mit falschen Versprechungen gearbeitet. Selbstverständlich tragen „Sympathieträger“ wie Wettstein, Boldt und Walter ihren Teil auch noch dazu bei, wer möchte schon freiwillig mit solchen Menschen zu tun haben? Also – das Kind ist nicht in den Brunnen gefallen, es treibt bereits seit Jahren mit dem Gesicht nach unten und Reanimierungsversuche sind zum Scheitern verurteilt. Und bekanntlich geht es lustig weiter. Beirats-Posse um Präsident Pinselreiniger, angekündigte Proklamationen, die nie kommen. Katastrophale Transfers, Trainerwechsel im 3/4-Jahresrhythmus und dabei Ticketpreise wie bei einem Champions League-Teilnehmer. Mit jedem Stunt verliert man weitere, ehemals treue Anhänger und es kommen keine neuen hinzu.

Den Fakt ist: Der HSV hat Kredit verspielt, reichlich Kredit. Bei einigen jeglichen, bei vielen große Teile. Das Problem ist nun, dass man diesen Kredit nicht so ohne weiteres zurückbekommt. Hinter jeden guten Aktion steckt Mißtrauen, jeder vom Verein und Medien gefeierte Transfer wird angezweifelt. Rückhaltlose Unterstützung, wie sie ein Verein, der tatsächlich einen Neustart versuchen wollte, dringend nötig hätte, ist passè, es wurden einfach zu viele Chancen leichtfertig verspielt und zu viele Versprechen gebrochen. Mir fällt kein Szenario ein, bei dem sich dieser Verein wirklich nachhaltig von all den Katastrophen der Vergangenheit erholen könnte, im Gegenteil. Mit Personal wie Malle-Timmi Walter, Arroganzkünstler und Heimschläfer Boldt, Pleitier Franki Wetzstein, Taschenbillardkönig Mutzelbacher und Präsident Pinselreiniger wird ein glaubwürdiger Neuaufbau nicht gelingen, es wird ihnen schlichtweg weder zugetraut noch abgenommen. Nicht von den Fans, nicht von den Mitgliedern, nicht von der Hamburger Wirtschaft und noch nicht mal von Ex-Gönner Kühne. Wäre man konsequent (was natürlich niemand ist), würde man den Verein abmelden und unter einem neuen Namen mit neuem Personal unbelastet neustarten. 

Gute Nacht, Marie!

G.