Willkommen zu Ausgabe 2 unserer neuen Rubrik ARENAPEDIA: Wissenswertes zum HSV. Heute liefern wir Euch detaillierte Infos zum Aufsichtsrat der HSV AG und zu seinen Aufgaben, Personen und Hintergründen.

In den letzten Tagen ist der Ruf nach Veränderung beim HSV unüberhörbar geworden. Die Arena fordert schon lange ein umfassendes und rigoroses Durchgreifen im Verein. Jetzt reihen sich mit aktuellen Artikeln auch die sonst eher gefälligkeitsheischenden Schreiblinge von BILD und Mopo bei den Kritikern von Boldt, Mutzel und Walter ein. Verursacht wurde dieses Umdenken durch die schlimmen Spiele gegen Aue und Düsseldorf und den anhaltenden Abwärtstrend der Mannschaft. Aber auch die Transferentscheidungen und Kaderzusammenstellungen von Boldt und Mutzel werden zunehmend skeptischer betrachtet. Allgemeiner Tenor ist: So kann‘s nicht weitergehen, es muss sich was ändern.

Das Vereinsgremium, das hier final gefordert ist, nennt sich Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat ist das oberste Kontrollgremium der operativen Vereinsführung in Form des Vorstands. Er setzt sich aus gewählten Mitgliedern der Anteilseigner zusammen. Der Aufsichtsrat hat die Aufgabe, den Vorstand zu beraten, insbesondere aber zu überwachen und zu kontrollieren.

Um zu verstehen, warum dieser Aufsichtsrat so agiert, wie er es tut, hilft es, sich die einzelnen Personen genauer anzusehen. Dabei handelt es sich um fünf Herren (keine Frau, natürlich, Fußball ist bekanntermaßen ja reine Männersache), die nach dem mehr oder weniger unfreiwilligen Abgang von Köttgen und Schulz im letzten Jahr verblieben sind.

 

Marcell Jansen

Aufsichtsratsvorsitzender, Ex-Fußballprofi, Business-Devil und Präsident des Hamburger Sport-Verein e. V.. Welche honorablen Gallionsfiguren hätte ein Verein wie der HSV in dieser Position aufbieten können: Günther Netzer, Felix Magath und vielleicht sogar Kevin Keegan. Oder warum nicht Elfmetertöter und DFB- & Europa-Pokalsieger und Deutscher Meister Rudolf „Rudi“ Kargus, heute ein sehr interessanter Kunstmaler.

Allesamt große Persönlichkeiten mit Strahlkraft, ehrenhafte Charaktere mit Profil und Geschichte und mit der Gemeinsamkeit, Großes für den Verein geleistet zu haben.

Stattdessen ein 36jähriger Pimpf mit selbstverfasstem Unterschichtenprosa-Tattoo* auf der Hüfte und Fremdschäm-Werbeeinsätzen für ein schlüpfriges Intimpflege-Produkt namens Le Coq Rock. Auweia! Aber immerhin hat Präsident Pinselreiniger als Ex-Profi einen fußballfachlichen Hintergrund, auch wenn er die Reha-Abteilungen seiner ehemaligen Vereine besser kennt als deren Rasenplätze. Wer sich das ganze Ausmaß einer semi-erfolgreichen Karriere samt daraus resultierender Hybris unbedingt antun will, klicke hier: www.marcell-jansen.de

Der als alleiniger Kandidat von 263 der 84.000 HSV-Mitglieder gewählte Jansen ist als Präsident des HSV e.V. gleichzeitig ein geborenes Mitglied im Aufsichtsrat der AG. Eine Funktion, die er auch wahrnahm in der Zeit, als er als Präsident zurückgetreten war. Hmmm! Bei seiner Wiederwahl gab Jansen folgendes zum Besten:

„Als möglicher wiedergewählter Präsident möchte ich in einem starken, teamfähigen Präsidium den HSV gemeinsam mit unseren Mitgliedern, Fans und Gremien loyal und zukunftsfähig weiterentwickeln. Vereintes Denken und Handeln werden dabei stets im Fokus stehen. Ich habe in den letzten Monaten viele Gespräche mit Mitgliedern, Fans und Gremien geführt, daraus ist das Zukunftsprogramm „VEREINT 2025“ entstanden. Das Programm soll die Basis für nachhaltiges Arbeiten im Präsidium des HSV e.V. darstellen. Wir werden Impulse setzen und die Frage zu unserem gesellschaftlichen Mehrwert beantworten. Rechtzeitig vor der Mitgliederversammlung wird es die Möglichkeit geben, das Programm einzusehen. „VEREINT 2025“ beinhaltet klare Initiativen, die zu einer Optimierung, Stärkung und vor allem Glaubwürdigkeit des gesamten HSV-Organismus führen werden. Unser aller HSV ist für mich eine Herzensangelegenheit!“

Das war am 7. August. Seitdem ist nicht viel, oder besser, nichts geschehen. Stattdessen ist Jansen untergetaucht. Kein Wort von ihm zum Aue- oder Düsseldorf-Spiel, zum Trainer oder zur Situation des Vereins. Ein Satz auf seiner Interseite lautet: „Auf allen Positionen müssen Leute sitzen, die besser sind als du. Das ist für mich unternehmerisches Handeln und das macht Spaß.“

Schön wär‘s.

 

Dr. Andreas C. Peters

Der Mann ist Rechtsanwalt. Nach einer Ausbildung als Bankkaufmann und dem Studium der Rechtswissenschaften in Hamburg und Bilbao war Peters Associate und Partner in diversen Großkanzleien in Hamburg, L.A. und London. Seit 2013 ist er Rechtsanwalt bei GSK Stockmann, laut eigenem Bekunden eine von Deutschlands Top-Wirtschaftskanzleien.

Aufsichtsrat des HSV ist Peters seit Februar 2017. Neben dieser Tätigkeit ist er auch Mitglied im Hamburger Regionalvorstand des EFF European Finance Forum e.V., im Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften und im Wirtschaftsrat der CDU. Geballte Wirtschaftskompetenz, sollte man meinen.

Peters war von 2016 bis 2017 nach dem Rücktritt Karl Gernands selbst mal Vorsitzender des AR. In der Funktion forderte er wagemutig „weniger Kühne“ und mahnte:

„Als Verantwortliche sind wir daher aufgefordert, zum einen wieder vermehrt eigenen finanziellen Spielraum zu generieren und zum anderen Alternativen zu entwickeln. Im gemeinsamen Interesse sollten wir also daran arbeiten, dass ein Engagement von Herrn Kühne wieder eher eine Ausnahme als die Regel wird.“

Noch deutlicher war folgender Satz, als Kühne öffentlich sein Luschen-Statement zu Lasogga und Co abgab:

 „Herr Kühne kann uns außerhalb von Titelseiten und Medienkulissen deutlich besser helfen.“ 

Das hat ja ganz formidabel geklappt!

 

Markus Frömming

Geschäftsführender Gesellschafter der Brands Alive GmbH. Brands Alive nennt sich selbst Agentur für Markeninszenierung und hat so namhafte Kunden wie Chanel, Rolls Royce und TUI Cruises. Im Aufsichtsrat des HSV sitzt Frömming seit 2019. Das Auftragsblatt bezeichnete ihn mal als Schattenmann von Klaus Michael Kühne. Wieso Schatten? Der sonst so öffentlichkeitsscheue Frömming ist von KMK ganz offen auf diesen Posten gehievt worden. Zudem wird er immer mal wieder als heißer Kandidat für den Vorstandsvorsitz gehandelt.

Über den schönen Markus hat mein geschätzter Blogbruder Alex bereits ausführlich am 27. August geschrieben: https://www.hsv-arena.hamburg/2021/08/27/der-schattenmann/, daher kann ich an dieser Stelle abkürzen. Nur soviel: Frömming ist neben Jansen einer derjenigen, die die Maxime „Der Verein als Beute“ am nachdrücklichsten vertreten.

 

Felix Goedhart

Ein Wirtschaftsmanager. Goedhart ist studierter BWLer mit Spezialisierung auf Finanz- und Rechnungswesen. Nach dem Studium an der Universität St. Gallen und der University of Chicaco startete er als Unternehmensberater bei Booz & Co in Düsseldorf und München. 1995 wechselte er zu Kirch und wurde Geschäftsführungsmitglied bei Premiere, verantwortlich für Technik, Decoder, Network & Interactive Services. Danach ging er zu verschiedenen Beteiligungs- und Fondsgesellschaften und ist heute CEO der Blue Elephant Energy AG, einem Solar- und Windpark-Unternehmen.

Nach einer ersten, vergeblichen Kandidatur 2011 wurde Goedhart dann 2014 im Zuge von HSV+ aufgrund seiner „wirtschaftlichen Kompetenz“ in den AR berufen und sagte damals folgenden Satz:

„Ich beobachte seit Jahren mit großem Vorbehalt den teilweise unverantwortlichen Umgang mit Geld in unserem Verein. Hier benötigt der Vorstand deutlich mehr Unterstützung von Profis.“

Das ist lustig, wo doch in den folgenden Jahren unter Kontrolleur Goedhart Millionen von Euro erst von Verbrennungsschlumpf Beiersdorfer, dann von Todt und schließlich von Boldt aus dem Fenster rausgeworfen wurden. Mit dem Resultat: Abstieg, dreimaliger Nichtaufstieg und Schockschrumpfung des Kaderwertes. Sei es drum.

Bei Goedharts Amtsantritt 2014 saß noch Slomka auf der Trainerbank. Seitdem hat lucky Felix 12!!! Trainer kommen und gehen sehen (inklusive Papa Tim). Goedhart ist neben Wettstein der am längsten Überlebende in der AG. Seine größten Leistungen: 2018 machte er mit einem missglückten Putschversuch gegen Vorstandschef Bruchhagen und Sportchef Todt auf sich aufmerksam. Wie alles beim HSV ging auch das zuerst gründlich in die Hose. Hoffmann vollendete das Vorhaben dann später erfolgreich.

 

Michael Krall

Der Pensionär ist ehemaliger Vorstand der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und HSV Aufsichtsrat seit 2018. KPMG ist das freundliche Unternehmen, das 2018, also genau zu dem Zeitpunkt, als Krall in den AR einzog, einen sieben Jahre alten Prüfbericht über „unerklärliche Honorare“ aus Bernd Hoffmanns erster VV-Amtszeit an die Presse lancierte. Zufälligerweise genau dann, als Paulchen Hoffmann sich um das Präsidentenamt bemühte. By the way: Auch Oberschlumpf und Dukatenzauberer Didi ist bei KMPG kein Unbekannter, war er dort doch mal als Wirtschaftsprüfer-Assistent tätig.

Hatte ich erwähnt, das KPMG den HSV zu seinen langjährigen Kunden zählt und z.B. für Kühne den Aktienwert runterrechnete? Und bei dieser sympathischen Firma war Krall 30 Jahre lang in führenden Positionen tätig. Dieser Keller dürfte so voller Leichen sein, der Mann hat für die nächsten 1000 Jahre ausgesorgt.

 

Der Aufsichtsrat der HSV AG: Ein Exprofi, ein Wirtschaftsanwalt, diverse Marketing- und Wirtschaftsfachleute… in der Theorie hört sich das super an. Warum nur versagt dieser AR in der Praxis so jämmerlich? Der sportliche Gesamtdefekt des HSV wird nur noch von dem finanziellen Desaster des Vereins übertroffen, das Wettstein seit 7 Jahren zu verantworten hat. Und die wirtschaftskundigen Aufsichtsräte schauen dieser Katastrophe mit Ansage schon seit Jahren tatenlos zu. Es ist für mich völlig unverständlich, warum niemand dort die Eier in der Hose hat, endlich für einen richtigen Neuanfang zu sorgen. Wahrscheinlich, weil sie alle schon viel zu tief im Sumpf mit drinstecken und die notwendigen Veränderungen bei ihnen selbst bzw. ihrer Demission beginnen müssten.

Wie war das doch gleich: Wer einen Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen.

Wie wahr!

 

*Hier der selbstverfasste Text von Präsident Pinselreinigers Stecherei (Rechtschreibfehler inklusive):

„Der Kopf will vom Herzen und das Herz vom Kopf nichts wissen. Wenn wir je Aussicht auf eine Zukunft schaffen wollen, werden sich die klugen Köpfe und die grossen Herzen besuchen müssen. Noch sind wir einander so fremd, daß wir uns vermissen.“

Puh!

 

Nachtrag (von Alex):